Der Zauberstein von Brisingamen
löste.
Sie wateten eine kurze Strecke in den Tunnel hinein, bis sie schwimmen mussten. Sie waren noch nicht viel weiter gekommen, als Fenodyree anhielt und den anderen bedeutete, sie sollten warten, während er vorausginge. Er holte tief Luft, Wasser platschte und spritzte, und als Colin etwas sagte, bekam er keine Antwort.
«Wo ist er hin?», fragte Susan.
«Das kann ich nicht sagen», murmelte Durathror. «Das Wasser reicht an der Stelle, an der er uns verließ, bereits bis an die Decke.»
Zwei Minuten vergingen, ehe Fenodyree wieder auftauchte, und erst geraume Zeit danach war er wieder in der Lage zu sprechen. «Keine große Strecke», sagte er, nachdem er schließlich seine Atmung wieder unter Kontrolle hatte, «und die Luft ist gut, aber die Decke ist über eine lange Strecke sehr niedrig, sodass wir auf dem Rücken schwimmen müssen.»
Ein erneutes Aufwirbeln und weg war er.
«Ich werde eine Minute warten», sagte Susan. Sie fürchtete sich mehr, als sie einzugestehen wagte, aber sie hoffte, Colin und Durathror würden ihr Zähneklappern einzig der Kälte zuschreiben. «Na denn: Auf geht’s.»
«Sie ist sehr mutig», sagte Durathror. «Sie verbirgt ihre Angst besser als wir alle.»
«Hast du auch Angst?», fragte Colin.
«Entsetzliche. Mit meinem Witz und meinem Schwert trete ich gegen jede Übermacht an, und es macht mir Spaß. Doch das ist kein Mut. Mut ist besiegte Furcht, und im Kampf fürchte ich mich nicht. Hier aber hat man nicht der Hinterlist des Feindes zu begegnen und er ist nicht greifbar, sodass man ihn niederwerfen könnte. Sieg oder Niederlage bedeuten ihm nichts. Ob wir gewinnen oder verlieren, macht nur für uns einen Unterschied. Er fordert uns heraus durch seine Existenz, und die wahre Schlacht tragen wir in uns selbst aus. Daher fürchte ich mich und habe keinen Mut.»
«Oh», sagte Colin. Er fühlte sich nun nicht mehr so allein mit seiner Angst. «Dann mach ich mich am besten mal auf den Weg.»
«Ich wünsch dir viel Glück», sagte Durathror.
Colin tauchte so lange weiter wie er konnte, aber das eiskalte Wasser presste ihm die Lungen zusammen, und bald brauchte er dringend Luft. Er tauchte auf und hoffte flehentlich an die Oberfläche zu kommen, doch er schlug mit Händen und Hinterkopf an die Decke. Panisch stieß er sich wieder ab und tauchte dicht darunter her. Sein Magen zog sich zusammen und der Kopf schien ihm platzen zu wollen. Jetzt aber. Nein!
Wieder stieß er an die Decke. Was stimmte nicht? Warum gab es da keine Luft? Fenodyree hatte gesagt… ah! Es fiel ihm wieder ein! Schwimmt auf dem Rücken: Die Decke ist sehr niedrig. So war’s! Colin drehte sich in Panik auf den Rücken, der Rucksack zerrte an seinen Schultern und drohte ihn erneut umzudrehen. Er drosch auf das Wasser ein und schaffte es, sich ins Gleichgewicht zu bringen. Und dann kamen seine Lippen an die Oberfläche. Die Luft schoss aus seinen angespannten Lungen, und prompt ging Colin unter und schluckte eine Menge Wasser. Er stieß sich so heftig vom Boden des Tunnels ab, dass er sich an der Decke fast k.o.
schlug, doch beseitigte das immerhin auch seine Panik: Er lag auf dem Rücken und sog abwechselnd Luft und Wasser ein.
Die Decke war allerdings sehr niedrig. Um seine Lippen über Wasser zu halten, musste er seine Nase gegen den rauen Fels des Gewölbes pressen, wodurch das Vorankommen ebenso schmerzhaft wie schwierig wurde.
Nach zwanzig Metern stellte Colin erleichtert fest, dass der Raum zwischen Oberfläche und Decke größer wurde, und binnen kurzem war er in der Lage, sich auf den Bauch zu drehen und auf natürlichere Weise zu schwimmen. Aber wo waren die anderen? Er schwamm langsamer.
«Hallo! Ahoi! Sue!»
«Hier!»
Das war Susans Stimme, und gar nicht weit von ihm. Mit einem Mal wurde das Wasser seicht, und dann stand er knietief im Schlamm und Fenodyree legte seinen Arm um ihn.
«Oh, lass mich hinsetzen!»
Kurz darauf stieß Durathror zu ihnen, er war völlig am Ende.
«Quabbelnase», keuchte er, «ich bin dem Tod schon oftmals nahe gewesen, aber noch nie hat er seine Hand so dicht nach mir ausgestreckt oder schrecklicher ausgesehen!»
Colin wickelte die Lampe aus, um festzustellen, ob sie die strapaziöse Reise überstanden hatte. Sie war unversehrt, und in ihrem Licht sahen die Kinder, dass sie auf rotem Schlamm lagen, weich und sehr klebrig. Vor ihnen befand sich ein Tunnel, der sich aber von allen anderen in der Westmine erheblich unterschied. Die Decke verlief rechtwinklig
Weitere Kostenlose Bücher