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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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werdet ihr wahrscheinlich nie in der Lage sein, alle relevanten Akten anzusehen. Deshalb solltet ihr euch auf den juristischen Kernpunkt konzentrieren, auf dem dieser letzte Antrag beruht. Alle anderen Punkte sind unwichtig. An eurer Stelle würde ich mich also in eine der juristischen Datenbanken einklinken und meine Suche auf den spezifischen Punkt beschränken, für den ihr euch interessiert. Wenn es um Haftprüfung geht, sucht unter Haftprüfung; wenn es um eine inkorrekte Einweisung der Geschworenen geht, sucht da. Am einfachsten ist es mit Sicherheit, im Westlaw ...«
    »Westlaw hab' ich schon durchgearbeitet«, erklärte Ben. »Das Problem ist, daß die Akten ein absolutes Chaos sind. Wir können kaum entscheiden, wo wir anfangen sollen.«
    »Konzentriert euch einfach auf die Niederschrift des ersten Verfahrens. Meistens zielt so ein Antrag nämlich auf einen Fehler, der der ersten Instanz unterlaufen ist. Haben sich schon irgendwelche anderen Richter gemeldet?«
    »Nein.« Ben war noch damit beschäftigt, Ricks Anweisungen zu notieren. »Der Antrag ist erst heute Morgen reingekommen.«
    »Wenn ihr Glück habt, gewähren fünf der anderen Richter den Aufschub, bevor ihr fertig seid. Dann müßt ihr euch nicht mal zu einer Entscheidung durchringen.«
    »Und wie stehen da die Chancen?« fragte Ben, während Lisa ihm über die Schulter schielte.
    »Das kommt auf den Streitpunkt an. Wenn es um den Vierten Zusatzartikel geht, also um Schutz gegen willkürliche Polizeimaßnahmen, werden Osterman und die konservative Mannschaft die Sache auf keinen Fall aufnehmen. Dreiberg wiederum könnte anbeißen. Für euch ist es aber am wichtigsten, zu begreifen, daß ihr nicht eure eigene Meinung hinschreibt, sondern die von Hollis. Schön und gut, wenn ihr meint, daß man den Angeklagten hingehängt hat, aber ihr müßt eure Argumentation darauf aufbauen, was Hollis denken könnte. Bisher war es immer so, daß er solche Vorgänge nicht angerührt hat, wenn sie nicht mit einer neuen juristischen Perspektive verbunden waren. Ansonsten ist er meistens zufrieden damit, dem Urteil der ersten Instanz sein Vertrauen zu schenken.«
    »Was ist, wenn der Verurteilte tatsächlich unschuldig sein sollte?« Ben wickelte die Telefonschnur eng um seinen Finger.
    »Das kommt auf die Fakten an«, sagte Rick. »Wenn ihr einen Fall habt, in dem man dem Angeklagten tatsächlich seine Rechte verweigert hat, könnte Hollis anbeißen. Ihr müßt allerdings vorsichtig sein. Schließlich seid ihr nicht Sherlock Holmes und dürft nicht glauben, ihr könntet den Fall von eurem Büro aus lösen. Wenn der Verurteilte behauptet, er sei in Wirklichkeit unschuldig, solltet ihr euch lieber sicher sein, daß ein Verfahrensfehler vorliegt. Vergeudet bloß nicht die Zeit von Hollis, indem ihr nur sagt, ihr hättet so eine Ahnung und ein Gefühl im Bauch, daß der Betreffende es gar nicht war. Hollis sitzt schließlich seit dreiundzwanzig Jahren auf der Bank. Er mag zwar eine Schwäche für Fälle haben, in denen es um Dinge wie Religions- oder Pressefreiheit geht, aber er wird sich einen Dreck um eure Ahnungen scheren.«
    Nach einer langen Pause fragte Ben: »Was ist, wenn man wirklich weiß, daß dieser Typ unschuldig ist? Ich meine, wenn man es nicht bloß im Bauch spürt, sondern auch in der Brust und in den Achselhöhlen. Überall eben.«
    »Es ist eure Entscheidung«, warnte Rick. »Wenn ihr recht habt, gut für euch. Aber wenn ihr nicht recht habt, wird Hollis den Aufschub verweigern, und ihr steht da mit 'nem faulen Ei im Gesicht. Das Ganze ist zwar nicht so schlimm, aber da ihr gerade erst angefangen habt, würde ich mir an eurer Stelle ein bißchen mehr Vertrauen von seiner Seite erwerben wollen, bevor ich mich aus dem Fenster lehne.«
    »Also soll ich diesen Typen draufgehen lassen, um nicht dumm dazustehen?«
    »Hör zu, ich kenne die Akten dieses Falles nicht«, sagte Rick. »Ich sage bloß, daß ihr euch gut aussuchen sollt, wofür ihr kämpft. Jetzt muß ich aber los. Wenn ihr noch irgendwelche Fragen habt, könnt ihr mich gerne anrufen.«
    »Also, vielen Dank für die Hilfe«, sagte Ben. »Wir wissen das wirklich zu schätzen.« Nachdem er Ricks Nummer aufgeschrieben hatte, legte Ben den Hörer auf, schaltete seinen Computer an und klinkte sich erneut in die Westlaw-Datenbank ein.
    Um halb sechs betrat Joel, einer von Richter Ostermans Mitarbeitern, das Büro. »Wir sind draußen. Osterman verweigert den Aufschub.«
    »Dann gehst du jetzt nach

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