Der zehnte Richter
waren Themen wie Haarausfall und Frisuren verboten. Extrem ehrgeizig wie er war, paßte es ihm nicht, an irgendeiner Front zu verlieren, und seine schwindende Haarpracht untergrub seiner Meinung nach sein gesamtes Erscheinungsbild und verdunkelte alles von seinem entschlossenen Auftreten bis zu seinem kantigen Unterkiefer.
»Und der neue Job beim Herald} Eric scheint wirklich zufrieden damit zu sein.«
»Soll das ein Witz sein?« meinte Nathan. »Eric schwebt über den Wolken, seit er diese Stelle hat. Er hält sich für den Schah von Persien.«
»Höre ich da vielleicht ein wenig Neid mitschwingen?« fragte Ben.
»Überhaupt nicht«, erwiderte Nathan. »Er hat zwei Jahre damit verbracht, sein Diplom in Journalismus zu erwerben, und ich freue mich sehr, daß er endlich über was Wichtigeres schreibt als über Flohmärkte. Es wäre bloß schön, wenn er öfter hier wäre.«
»Das meinst du doch nicht im Ernst«, frotzelte Ben. »Du interessierst dich doch nicht die Bohne dafür, wie oft er hier ist. Dir paßt es bloß nicht, daß er mehr Erfolg hat als du.«
»Erstens hat er nicht mehr Erfolg als ich. Und zweitens habe ich überhaupt nichts dagegen, daß er groß rauskommt. Mir wäre bloß lieber, wenn er weniger fixiert darauf wäre.«
»Und wieder erhebt der Neid sein häßliches Antlitz. «
»Du weißt schon, was ich meine«, sagte Nathan. »Wenn Eric irgendwas anfängt, wird er besessen davon. Das war schon an der Uni so und damals, als er für diese Literaturzeitschrift geschrieben hat, und natürlich auch, als er bei Washington Life anfing. Mir ist schon klar, daß er sich für Woodward und Bernstein in einem hält, aber es würde mich freuen, wenn er seinen Freunden etwas mehr Beachtung schenken würde. Wie die Dinge liegen, hab' ich kein einziges vernünftiges Gespräch mit ihm geführt, seit er diese Stelle angetreten hat. Er hat einfach keine Zeit mehr für uns.«
»Willst du wissen, was ich darüber denke? Ich denke, du bist viel zu ehrgeizig. Das warst du schon immer, und das wirst du auch bleiben.«
»Mit meinem Ehrgeiz hat das überhaupt nichts zu tun. Hier geht es um Freundschaft.«
»Jetzt laß ihn mal in Frieden«, sagte Ben. »Er ist schließlich noch neu da. Ich bin sicher, daß er bloß versucht, einen guten Eindruck zu machen.«
»Vielleicht.« Nathan nahm einen Bleistift vom Tisch und begann, auf einem Blatt Papier herumzukritzeln.
»Jetzt vergiß das Ganze mal. Wie läuft's im State Department? Habt ihr in den letzten paar Wochen irgendwelche Dritte-Welt-Länder übernommen?«
»Leider nein. Es läuft ungefähr so, wie ich es mir gedacht habe. Mein Chef war die letzte Woche in Südafrika, deshalb war nicht viel zu tun. Aber ich glaube, sie wollen mich behalten. Wahrscheinlich werden sie mich in ein paar Monaten in den politischen Planungsstab stecken.«
»Worum geht es da?«
»Dieses Gremium heckt die gesamte Strategie des Ministeriums aus. Wer dort sitzt, arbeitet im allgemeinen den wichtigen Kommissionen zu.«
»Du und ein Haufen weiterer Geistesriesen denken da also über unsere Zukunft nach, was?«
»Irgend jemand muß sich ja Gedanken machen, wie man die Welt regiert.« Nathan war dabei, den Umriß der Vereinigten Staaten zu zeichnen. »Und was ist mit dir? Heute war dein erster Tag am Obersten Gericht. Das ist auch nicht gerade ein Aushilfsjob.«
»Ich weiß.« Ben nestelte am Verschluß seines Terminkalenders. »Ich hoffe bloß, es ist in Ordnung, daß ich im August angefangen habe und nicht schon im Juli. Heute bin ich mir irgendwie verloren vorgekommen.«
»Das ist ganz bestimmt in Ordnung«, meinte Nathan. »Du hast überhaupt nichts verpaßt. Nur daß deine Kollegin einen Monat Vorsprung hat.«
»Wird wohl so sein.« Ben trat zu seinem Regal und begann, seine Bücher umzustellen.
Nathan beobachtete seinen Freund über eine Minute lang. »Es ist schon okay, nervös zu sein«, sagte er schließlich. »Du bist immerhin am Obersten Gericht.«
»Ich weiß. Es ist bloß so, daß alle da so verdammt clever sind. Die können jeden Präzedenzfall der letzten zwanzig Jahre zitieren, und ich kenne gerade mal die Darsteller von L. A. Law. Das wird mir nicht viel helfen.«
Ohne zu klopfen, trat Ober ins Zimmer. »Wer ist denn gestorben?« fragte er, als er Bens angespanntes Gesicht sah.
»Er macht sich bloß Sorgen, daß der Oberste Gerichtshof ihn intellektuell einschüchtern könnte«, erklärte Nathan.
»Ach, komm.« Ober setzte sich auf Bens Bettkante. »Sag ihnen
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