Der zehnte Richter
gehabt?«
»Eigentlich nicht«, antwortete Ben. »Sie sind die einzigen von uns, die wirklich unter sich bleiben.«
»Unglaublich!« rief Nash und schlug auf den Tisch. »Es bleibt doch alles beim Alten.« Er neigte sich zu Ben und senkte die Stimme. »Zu meiner Zeit waren Ostermans Mitarbeiter die schlimmsten, verhaßtesten, konservativsten Spinner am ganzen Gerichtshof. Und ich hab' gerüchteweise gehört, daß sie alle zu einem kleinen Netzwerk gehören. Sie bleiben samt und sonders in Kontakt und veranstalten jedes Jahr ein geheimes Treffen.«
»Davon hab' ich noch nie gehört.« Ben mußte lächeln.
»Das ist kein Witz«, sagte Nash. »Soweit ich weiß, nennen sie sich Der Klüngel ; und die ehemaligen Assistenten bringen ihren Nachfolgern bei, wie man Entscheidungen im eigenen Sinne beeinflußt. Ernsthaft«, fügte er hinzu, als er Bens zweifelnden Gesichtsausdruck bemerkte, »Sie wissen ja, wieviel Einfluß man haben kann, wenn man es darauf anlegt. Wenn man eine Urteilsbegründung verfaßt, kann man sie schließlich großteils nach eigenem Gutdünken strukturieren. Man kann bestimmte Punkte hervorheben, andere besonders zweideutig erscheinen lassen. Das ist eine subtile Form der Machtausübung, aber um Macht handelt es sich doch.«
»Schon, aber man kann absolut nichts machen, was der betreffende Richter nicht von Haus aus haben will.« »Das ist ja das Erschreckende. Es hieß, daß Osterman über die ganzen Vorgänge Bescheid wußte und sich einfach nicht darum gekümmert hat. Er hat seine Mitarbeiter tun lassen, was sie wollten.«
»Hab' ich Ihnen nicht gesagt, daß dieser Knabe sich auskennt?« fragte Alcott und zeigte auf Nash.
»Jetzt sind Sie aber dran«, sagte Ben. »Wie steht's denn bei Wayne?«
»Phantastisch.« Alcott stützte beide Ellbogen auf den Tisch. »Wir haben soeben die National-Football-League-Properties als Klienten gewonnen. Wenn Sie also Karten für ein Spiel der Redskins brauchen, lassen Sie's mich wissen. Oder für irgendein anderes Spiel, wo und wann immer Sie wollen. Außerdem haben wir auch Evian gewonnen, weshalb sämtliche Wasserspender in der Kanzlei mit prickelnd frischem Mineral gefüllt sind.«
»Das ist großartig«, bemerkte Ben, weil ihm auffiel, daß Alcott sich in Erwartung seines Kommentars unterbrochen hatte.
»Und die gemeinnützige Abteilung übernimmt seit kurzem Sachen für den Kinderschutzbund.«
»Von dem gibt's allerdings keinen Bonus«, bemerkte Nash lachend.
Alcott warf ihm einen bösen Blick zu. »Aber wir werden zur Jahrestagung eingeladen, auf der gewöhnlich auch der Präsident spricht.«
»Das ist großartig«, wiederholte Ben. »Ich bin auf deren Adreßliste, weil ich an der Uni was für sie gemacht habe.« »Wirklich?« fragte Alcott. »Dann müssen wir Sie da einbeziehen, hm? Wenn Sie mal Zeit haben, rufen Sie mich an, und ich vermittle Ihnen ein Treffen mit der Vorsitzenden. Sie ist eine wunderbare Frau. Sehr charismatisch.«
»Übrigens, haben Sie ihm schon von dem Gerichtshof-Bonus erzählt?« fragte Nash.
Alcott lächelte. »Ben, ich habe etwas wirklich Schönes für Sie. Vor einigen Tagen hat sich die für Neueinstellungen zuständige Arbeitsgruppe getroffen, um über die Gehaltsstruktur unserer neuen Mitarbeiter zu sprechen. Und da wir Leuten mit praktischer Erfahrung am Gericht schon immer einen Bonus geben, haben wir uns überlegt, wir sollten Kandidaten vom Obersten Gerichtshof einen weiteren Bonus anbieten. Zu der Summe, die ich Ihnen letzte Woche genannt habe, können Sie also weitere zehntausend Dollar addieren. Es geht zwar nur ums erste Jahr, aber wir meinen, das ist eine hübsche Dreingabe.«
Ben starrte auf seinen Teller und fragte sich, wie er eine mit achtunddreißigtausend Dollar pro Jahr dotierte Stelle als Staatsanwalt annehmen konnte, wenn ganze hunderttausend Dollar vor ihm saßen und ihm ein teures Mittagessen bezahlten.
»Nun, Sie müssen sich ja jetzt noch nicht entscheiden«, sagte Alcott. »Wir wissen schon, es ist ein schwieriger Entschluß. Und, um ganz ehrlich zu sein, wir wissen auch, daß Sie überall anheuern können, aber wir hätten Sie gern bei Wayne and Portnoy. Sie sind einen Sommer bei uns gewesen; Sie kennen unseren Stil. Wir haben ein gutes Betriebsklima. Wir geben alles, wenn das nötig ist, aber wir versuchen auch, alle Privilegien zu genießen, die unser Beruf uns bietet. Wenn Sie zu uns kommen, kann ich Ihnen fest zusagen, daß Sie mindestens zwanzig Prozent Ihrer Arbeitszeit auf
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