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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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ziehe daraus den Nutzen. Warum sollten meine Eltern das bezahlen?«
    »Wieviel Schulden hast du denn noch?«
    »Aus dem Hauptstudium ungefähr zweiundneunzigtausend Dollar.« Lisa starrte ihn mit offenem Mund an. »Und da sind noch nicht die achttausend Dollar dabei, die ich in den letzten beiden Jahren abgestottert habe.«
    »Hast du noch nie was von Finanzierungshilfen gehört?« »Natürlich hab' ich das«, sagte Ben. »So hab' ich den Kredit ja überhaupt bekommen.«
    »Mir ist immer noch nicht klar, warum du deine Eltern nicht -«
    »Das ist eine lange Geschichte«, unterbrach Ben sie. »Einerseits konnten sie es sich nicht leisten, viel für mich zu tun, und andererseits wollte ich ihnen die Sache leichter machen. Das ist alles.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Jetzt muß ich aber wirklich los. Ich komme sowieso zu spät.«
    Vor dem Gerichtsgebäude sprang Ben in ein Taxi und ließ sich zu Gray's bringen, dem Ort für Washingtons wichtigste Geschäftsessen. Viele der folgenreichsten Besprechungen in der Hauptstadt fanden zwar noch immer in schummrigen Restaurants statt, in denen es nach Zigarren, Brandy und zu kurz gebratenen Steaks roch, doch Gray's zog jene Manager und Kongreßführer an, die beim Essen gesehen werden wollten. Freilich gab es auch vier Hinterzimmer für jene Gäste, die eine diskretere Atmosphäre schätzten. Im Speisesaal hingegen waren die übergroßen, auf geometrischen Stahlstützen ruhenden Glastische und die mit weißen Überzügen drapierten Stühle in einem großen Kreis arrangiert, um den Blick auf die Prominenz zu erleichtern. Mit seiner ganz in Schwarz und Weiß gehaltenen Ausstattung strahlte das Restaurant eine minimalistische Atmosphäre aus, die fast zu postmodern für das Stadtzentrum von Washington war. Als Ben durch die Tür kam, zog er seinen Krawattenknoten zurecht und hielt nach Adrian Alcott Ausschau. Für die Anwerbung neuer Mitarbeiter zuständig, war Alcott einer der Partner von Wayne & Portnoy, einer der erfolgreichsten Kanzleien der Hauptstadt. Hier hatte Ben in den Sommerferien nach seinem Jurastudium gearbeitet. Als Praktikant war er vom Personalbüro zu Baseballspielen in Camden Yards, Konzerten im Kennedy Center und zu Mittag-wie Abendessen in den besten Etablissements an der K Street ausgeführt worden. Den Abschluß des Sommers hatte ein Segelausflug der gesamten Kanzlei gebildet - über vierhundert Menschen waren auf zwei Luxusjachten in See gestochen. Im Bewußtsein, daß es ihr gelungen war, die besten und hellsten Köpfe der herausragenden juristischen Fakultäten des Landes anzulocken, versuchte die Kanzlei alles, diese endgültig an sich zu binden. Für jene Praktikanten, die noch keine Entscheidung zwischen konkurrierenden Angeboten getroffen hatten, war der Abend auf See das überzeugendste Argument.
    Alle achtzehn Praktikanten hatten nach ihrem Examen ein Jahr als Gerichtsmitarbeiter absolviert. Die Kanzlei erwartete das von ihren zukünftigen Angestellten, da man wußte, daß sie sich in dieser Zeit unschätzbare Erfahrungen aneignen konnten, die ihnen nach dem Eintritt in die Kanzlei von Nutzen sein würden. Um sicher zu gehen, daß die Umworbenen Wayne & Portnoy während ihres Praxisjahres nicht vergaßen, rief man sie alle zwei Monate an, um sich nach ihrem beruflichen Wohlergehen zu erkundigen. Am Ende kehrten siebzehn der Praktikanten in die Kanzlei zurück; Ben ging zum Obersten Gerichtshof. Als man feststellte, daß der achtzehnte Kandidat dort als Mitarbeiter angenommen worden war, verdreifachte sich die Zahl der Anrufe, die nun von Einladungen zum Lunch begleitet waren. Für die führenden Kanzleien der Stadt waren ehemalige Assistenten am Obersten Gerichtshof wie menschliche Ehrenzeichen. Von Wayne & Portnoys hundertsiebenundfünfzig Anwälten hatten zehn diese Position innegehabt. An diesem Tag hoffte Adrian Alcott, die Zahl auf elf zu erhöhen.
    »Hallo, Mr. Addison!« rief Alcott strahlend, als Ben auf seinen Tisch in einem der Hinterzimmer des Restaurants zuging. »Setzen Sie sich doch.« Alcotts große, hagere Gestalt wurde von einem dichten blonden Haarschopf gekrönt. Mit seinem gewinnenden Lächeln, das er bei jeder möglichen Gelegenheit zeigte, war er das Aushängeschild der Kanzlei, wenn es um neue Mitarbeiter ging. Er liebte Wayne & Portnoy, und sein liebenswürdiges, gewinnendes Wesen hatte über ein Viertel der Mitarbeiter davon überzeugt, daß dies auch ihre Meinung war. »Ben, das ist Christopher Nash. Er war vor vier

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