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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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waren beschissen.«
    »Die besten kommen erst abends. Abgesehen davon. «
    Lisa dachte eine Zeitlang nach. »Nein, sonst war noch nichts gelogen.«
    »Dann folge mir«, befahl Ben und stieg aus dem Auto. Gegen den kalten, vom Fluß heraufziehenden Wind ging er auf einen schmalen, neben dem Parkplatz verlaufenden Radweg zu. Der Blick jenseits des betonierten Wegs wurde von einem morschen, über und über mit Graffiti bedeckten Holzzaun versperrt. Dann endete der Zaun, und Lisa sah, daß sie auf den Charles River zugingen. Der Betonpfad wurde zu einem holzbelegten Gehweg, der zu einem mittelgroßen Bootshaus am Flußufer führte. »Das Ding hat früher der Boston University gehört«, erklärte Ben. »Hier war die ganze Ausrüstung für die Rudermannschaft untergebracht. Alle Unis haben so ein Bootshaus am Fluß: Harvard, das MIT, das Boston College, die Northeastern. Als die Boston University genug Geld aufgetrieben hatte, hat sie diese bescheidene Hütte gegen ein piekfeines Zentrum näher am Campus eingetauscht.« Er ging zum Rand des Stegs und zeigte nach rechts. »Von hier aus werden wir sehen, wie der Sonnenuntergang die Stadt in seinen warmen Schimmer taucht. Und deshalb ist dies der schönste Platz der Stadt. Womit die Führung beendet wäre. Da-dah!« Ben drehte sich um und machte eine Verbeugung.
    Lisa setzte sich und ließ ihre Füße vom Rand des Stegs baumeln. »Du hattest recht. Es ist phantastisch hier.«
    »Erics großer Bruder hat die Stelle entdeckt und sie uns dann gezeigt.« Ben ließ sich neben Lisa nieder. »Hier hab' ich meinen Aufsatz geschrieben, um auf die Columbia zu kommen, und später den Aufsatz, der mich nach Yale gebracht hat.«
    »Wir hätten das Grinnell-Votum mitbringen sollen.«
    »In ungefähr zwanzig Minuten können wir den Sonnenuntergang genießen.« Ben blickte auf seine Uhr.
    »Hier wird es viel zu früh dunkel. Es ist doch erst halb fünf.«
    »Wart erst mal bis zur Sonnenwende. Dann ist es um viertel nach vier schon pechschwarz draußen. Da wir den frühesten Sonnenuntergang des Landes unser eigen nennen, haben wir auch die höchste winterliche Selbstmordrate.«
    »Na, darauf könnt ihr wirklich stolz sein.« Schweigend warteten die beiden darauf, daß die Sonne auf Bostons grauen Horizont niedersank. Als Lisa bemerkte, daß Ben sie anstarrte, hob sie eine Augenbraue. »Du überlegst dir doch, ob du mich küssen sollst, oder?«
    »Das hättest du wohl gern.« Ben wich zurück.
    »Ach, komm«, sagte Lisa. »Ich sehe doch den zuckersüßen Blick in deinen Augen.«
    »Lisa, mir ist durchaus bewußt, daß ich dich zu einem magischen Ort geführt habe. Aber nicht alle Phantasien werden hier Wirklichkeit.«
    »Erzähl mir bloß keinen Blödsinn.« Lisa hielt Ben den ausgestreckten Zeigefinger vor die Nase. »Du hast denselben Blick wie in der Nacht, als wir mit diesem Todesurteil beschäftigt waren.«
    »Den furchtbar müden Blick, der meine Erschöpfung fälschlicherweise als Leidenschaft interpretieren läßt? Da dürftest du wohl recht haben - genau so hab' ich mich damals auch gefühlt.«
    »Vergiß es«, sagte Lisa kopfschüttelnd. »Du hast recht. Genießen wir einfach den Sonnenuntergang.«
    Ben stützte sich auf seine Ellbogen und starrte in den rotgoldenen Schimmer, der die Spitze des State House färbte. Nach einigen Minuten fragte er: »Glaubst du wirklich, daß wir ihn festnageln können?«
    »Ich weiß nicht.« Lisa zuckte die Achseln. »Ich hoffe es wenigstens. Allerdings scheint er immer sehr gut über uns informiert zu sein. Warum?«
    »Vergiß die Frage.« Ben setzte sich auf und rieb sich die Hände, um Staub und Steinchen loszuwerden. »Reden wir einfach nicht weiter darüber.« »Jetzt hör mal, Ben - willst du immer so reagieren, wenn du unsicher bist? Sag mir doch einfach, was du gerade denkst. Ich weiß ja, daß dir die ganze Sache unwahrscheinlich Angst macht.«
    Ben schwieg.
    »Was ja auch durchaus verständlich ist.«
    »Was soll ich denn sagen?« erwiderte Ben schließlich. »Natürlich hab' ich Angst. Meine gesamte Karriere steht auf dem Spiel. Und wenn ich mich endlich mal beruhigt habe, ruft dieser Scheißkerl bei meinen Eltern an, bloß um mich mürbe zu machen! Schön, und was willst du noch hören? Daß ich deswegen Alpträume habe? Daß ich es nicht aus dem Kopf bekommen kann? Daß ich meine, irgendwo hineingeraten zu sein, wohin ich überhaupt nicht gehöre? In Washington ist das eine Sache, aber hier zu Hause ist das anders.«
    »Was ist denn

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