Der Zeichner der Finsternis
seiner Hand blitzte es auf, es machte Klick! , dann sah ich das Messer.
»N-nein!«, stotterte ich. Ich spürte schon die Bretterwand im Rücken. »Ich bezahl die Reparatur. Ich mach alles, was du willst …«
»Und ob!« Dekkers Zähne waren rötlich verschmiert. Seine Hand schnellte vor und wieder zurück, und ein brennender Schmerz schoss meinen rechten Unterarm entlang. »Du bezahlst die Reparatur und machst alles, was ich sage!«
Hellrotes Blut quoll aus der langen Schnittwunde. Ich hielt mir den Arm. Meine Zähne klapperten, mein Gesicht war schweißüberströmt. »Ich …«
»Halt’s Maul!« Das Messer blitzte wieder auf und ich schrie, als Blut über meinen linken Bizeps lief.
»Ey!« Einer von Dekkers Begleitern – Crabbe – drehte sich um. Da hörte ich es auch: Motorengebrumm und knirschende Reifen. Crabbe sagte: »Da kommt wer … Scheiße, das sind die Bullen.«
»Ruhig bleiben, kapiert?«, befahl Dekker und rückte mir noch näher auf die Pelle. Ich wich so gut es ging zurück, aber er hatte das Messer weggesteckt. Er schob sein Gesicht ganz dicht vor meines, sodass ich seinen heißen Atem spürte. »Ein Wort und du kannst dein Testament machen.«
»Was ist denn hier los?« Justin war ausgestiegen und kam auf uns zu. »Lass ihn in Ruhe, Dekker!«
»Ist ja gut, Brandt. Immer cool bleiben.« Dekker trat einen Schritt zurück und drehte sich mit erhobenen Händen um. Zu mir sagte er über die Schulter: »Mit uns beiden ist alles cool, oder?«
+ + +
Aha. Mit uns beiden war also alles cool.
Als Dekker und seine Komplizen auf ihren Motorrädern davongeknattert waren, kamen Justin und ich zu dem Schluss, dass ich beim Runterklettern auf dem Gerüst ausgerutscht war, den Abbeizer über Dekkers Motorrad gekippt und mir den Arm an einem vorstehenden Nagel aufgeschlitzt hatte. Justin meinte: »Ich muss den Vorfall deinem Onkel melden. Ich muss einen Bericht schreiben, und wenn Dekker dann Anzeige erstattet …«
»Der erstattet keine Anzeige.« Mir war so schwummerig, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. »Du hast doch gehört, was er gesagt hat. Er will nur, dass ich seine Kiste wieder in Ordnung bringe. Mit Farbe kenn ich mich ja inzwischen aus.« Ich grinste schief, aber um mich herum drehte sich alles.
»Du kippst ja gleich aus den Latschen.« Justin hielt mich am Unterarm fest, gleich unter der Schnittwunde. »Das muss sich ein Arzt anschauen.«
»Ist gut«, wäre die passende Antwort gewesen, aber ich nahm auf einmal den Blutgeruch wahr. Es ging wieder los.
die Geister
Ich drang in ein fremdes Bewusstsein ein
und Zähne wie Messer und mein Mund
wie vorhin, als ich im Körper des unbekannten Jungen gelandet war
bitte nicht den Mund
Justin sagte etwas, aber ich bekam nichts mehr mit
nicht den Mund, bitte
weil sich ein grauer Schleier vor meine Augen legte und dann wurde alles schwarz … bitte … nicht
Hilfe
Hilfe
VIII
»Du darfst ihn da nicht allein hinlassen, Hank.« Pfarrer Schoenberg schob sich ein Stück Schmorbraten in den Mund, kaute bedächtig und fuhr fort: »Dekker bringt ihn um.«
»Keine Sorge.« Ich saß neben Onkel Hank. Mrs Schoenberg hatte wie immer superlecker gekocht – Schmorbraten mit Möhrchen und Reibekuchen mit selbst gemachtem Apfelmus –, aber ich bekam kaum etwas herunter und alles schmeckte wie Sägespäne.
Das soll jetzt nicht heißen, dass ich die Einladung nicht zu würdigen wusste. Am Morgen in der Kirche hatten sich alle Blicke wie Laserstrahlen in meinen Rücken gebohrt und sämtliche Gespräche waren verstummt, als wir unsere Plätze einnahmen. Es brauchte keiner etwas zu sagen, ich wusste auch so, was alle dachten. Es hatte sich längst herumgesprochen, dass ich gestern bei Eisenmanns Scheune in Ohnmacht gefallen war. Jetzt waren meine Arme verpflastert und auf der Stirn hatte ich eine schwarze Naht. Mit ihrer Einladung hatten die Schoenbergs sozusagen ein Zeichen setzen wollen.
Sarah saß mir gegenüber. »Pass bloß auf. Karl Dekker ist der Typ, der jemanden fertigmacht und es so hinbiegt, dass es wie ein Unfall aussieht.«
»Recht hat sie. Wir kennen den Knaben ja inzwischen ganz gut.« Der pausbäckige Pfarrer lehrte Theologie an der Außenstelle der Universität Wisconsin in Ashbury. Er hatte eine Vorliebe für Bücher, Tratsch und Rotwein. »Du hast Glück gehabt, dass Justin gerade zur Stelle war, als du umgekippt bist.«
»Ich finde, Christian hat überhaupt Glück gehabt, Punkt«, mischte sich Mrs Schoenberg ein. Sie
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