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Der Zeichner der Finsternis

Der Zeichner der Finsternis

Titel: Der Zeichner der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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gemeint, dass man sowohl mit dem Kopf als auch mitdem Herzen zu Gott finden muss. Man kann beides nicht trennen und muss es aus freien Stücken tun. Außerdem hat Pfarrer Schoenberg noch gesagt, wenn in der Bibel eine Tür vorkommt, bezieht sich das immer auch darauf, wie die Engel, Gott und die göttliche Wahrheit mit den Menschen in Verbindung treten.
    War auf der anderen Seite etwa der Himmel … oder die Wahrheit?
    Die sonderbare Röhre an Mr Witeks Tür fiel mir ein. Wie ich vor dem Zimmer gestanden, geklopft und das Gefühl gehabt hatte, als würde ich gerufen … nur dass in diesem Fall die Rollen vertauscht gewesen waren. Nicht ich hatte die Wahrheit gebracht, sondern die Wahrheit war in Mr Witeks Zimmer zu finden, auf seinen Gemälden und in seinen verschütteten Erinnerungen.
    Die Wahrheit strömte in meine Finger.
    Ich schloss die Augen. Eigentlich wollte ich bis zehn zählen, hörte aber bei vier auf.
    Die Tür war immer noch da.
    »Ab in die Schule, du Spinner!«, sagte ich laut. »Du hast etwas zu erledigen.«
    Ich ließ die Tür Tür sein und schrieb rasch noch auf, woran ich mich aus dem Traum dieser Nacht erinnerte: ein Wintergarten, ein Bach, ein buntes Fenster. Dann dachte ich: Das ist doch alles Blödsinn – du hast einfach von dem Gemälde geträumt, und jetzt tust du so, als hätte das etwas zu bedeuten.
    Aber was?
    + + +
    Die Schulstunden zogen sich wie Kaugummi. Sarah ignorierte mich, und ich begriff, dass von ihr keine Unterstützung zu erwarten war. Mittags ging ich wie üblich nicht in die Kantine, aber auch nicht in den Kunstraum. Ich lief raus auf den Spielplatz, setzte mich auf eine Schaukel und schaute den Kleinen beim Brennball spielen zu. Ich wurde ein bisschen traurig. Die Kinder waren so unbeschwert. Sie fürchteten sich nicht vor unberechenbaren finsteren Mächten, sie wollten einfach nur nicht abgetroffen werden. Sie lachten und alberten rum. Der Spielplatz wimmelte von ihnen wie von Ameisen. Andererseits war es schön, wie vergnügt sie waren. Am liebsten wäre ich auch wieder klein gewesen.
    Natürlich können auch kleine Kinder schon gemein sein. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe mein Leben lang einstecken müssen. Stell dir vor, du bist immer derjenige, den keiner in seiner Mannschaft haben will und der jeden Tag auf dem Heimweg von der Schule verprügelt wird. Marjorie irrte sich. Man kann auch in Kleinstädten die Erfahrung machen, dass Menschen nicht besser als Tiere sind.
    Als die Schule endlich zu Ende war und ich zu den Fahrradständern ging, hörte ich Sarah rufen: »Warte doch mal!«
    »Ich dachte, du bist sauer auf mich«, sagte ich.
    »Bin ich ja auch!« Sie trug eine dreiviertellange enge Jeans und hatte sich einen Pferdeschwanz gemacht, was irgendwie süß aussah. »Was guckst du so?«, fragte sie.
    »Ach nichts.« Wir gingen zusammen weiter. Sarah schaute kurz zu einer Gruppe Mädchen auf dem Parkplatz hinüber, die alle demonstrativ taten, als würden sie uns nicht anglotzen. »Wenn es dir peinlich ist …«, murmelte ich.
    »Kannst du bitte ausnahmsweise normal sein!«
    »Okay.« Ich zerbrach mir den Kopf, was ich sagen könnte. »Wie läuft’s mit deiner Recherche?«
    »Danke, ganz gut. Ich hab heute beim Sheriff angerufen und Marjorie meinte, die Rechtsmedizinerin kommt morgen oder Samstag.«
    »Super. Hast du was dagegen, wenn ich … ähm …«
    Sie blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. »Nein, es macht mir nichts aus, wenn du mitkommst. Das habe ich doch schon gesagt! Was willst du denn noch, Christian, eine Einladungskarte auf ’nem Silbertablett?«
    »Äh, danke, geht auch ohne.«
    Sie verdrehte die Augen und ging weiter. »Da hab ich ja noch mal Glück gehabt.«
    »Wessen Baby ist es denn nun?«
    Sie zuckte die Achseln. »Erst muss die Rechtsmedizinerin feststellen, wie lange die Leiche schon dortgelegen hat. Aber weißt du was? Die Villa hat nicht immer so ausgesehen wie heute. Das ursprüngliche Gebäude stammt von 1720 und hat einem französischen Pelzjäger gehört.«
    »Echt? Ich wusste gar nicht, dass die Franzosen …« Mir blieb die Stimme weg.
    »Was ist denn?«, fragte Sarah verwundert, dann fiel ihr Blick auf die Fahrradständer. »Ach so«, sagte sie, aber es klang eher wie Stöhnen.
    Dekker stand neben einem roten Motorrad, wahrscheinlich dem von seinem Vater. Als er merkte, dass wir ihn gesehen hatten, stieß er seine beiden Komplizen an. Ich glaube, es waren diesmal nicht Crabbe und Goyle, also nennen wir sie zur

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