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Der Zeichner der Finsternis

Der Zeichner der Finsternis

Titel: Der Zeichner der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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Kumpels in der Kneipe alles zu erzählen, und wir irgendwie Wind davon kriegen. Die meisten Kriminellen sind ziemlich beschränkt.«
    Die Leier kannte ich schon, deshalb schaltete ich auf Durchzug. Mir ging im Kopf herum, was ich über den Friedhof gemailt hatte. Ich hatte ja auch einen Friedhof gezeichnet – in meinen Geschichtshefter. Allerdings hatte ich auch mit Dr. Rainier über den todkranken Mr Witek gesprochen und Lucy erst in Gedanken und dann in echt sterben sehen, von daher …
    Mr Witek würde auch sterben, und zwar bald. Mir lief die Zeit davon. Die Zeit wofür? Na ja, wenn Mr Witek starb, starb mit ihm auch die Vergangenheit – zumindest der Abschnitt der Vergangenheit, der mich im Traum heimsuchte. Dann hatte ich keinerlei Zugriff mehr darauf, weder im Traum noch durch irgendwelche Zeitreisen. Denn um Zeitreisen handelte es sich, da war ich inzwischen sicher. Ich schlüpfte in Davids Körper und in seine Vergangenheit.
    Mir kam ein gruseliger Gedanke. Wenn ich nun dabei versehentlich mit ihm die Identität tauschte? Dann musste ich in seinem Körper sterben, und er konnte in meinem weiterleben. Waren die Träume und Zeitreisen etwa eine Art Generalprobe?
    In meinem Hinterkopf meldete sich eine leise Stimme, aber nicht die von David und schon gar nicht meine eigene: Du wolltest doch immer auf die andere Seite und deine Mutter suchen. Alle sagen, dass sie tot ist. Wenn sie tatsächlich tot ist, könnte das doch deine große Chance sein, oder?
    »Christian?« Onkel Hank musterte mich im Rückspiegel. »Stimmt etwas nicht? Du bist ein bisschen blass um die Nase.«
    »Mir geht’s gut.« Ich schloss die Augen und stellte mich schlafend, damit er nicht merkte, dass ich log.
    + + +
    Ich war noch nie bei der alten Ziegler-Villa gewesen, hauptsächlich deshalb, weil das Haus eine halbe Meile abseits der Straße liegt und man einen holprigen, gewundenen Feldweg hochfahren muss. Außerdem hatte ich bis jetzt noch nie Anlass dazu gehabt.
    Als wir um die letzte Biegung fuhren, rief Sarah: »Das sieht ja superschön aus!«
    Eingerahmt von knorrigen Eichen und Ahornbäumen hob sich das Gebäude vom strahlend blauen Oktoberhimmel ab. Die viktorianische Fassade im Queen-Anne-Style (wie uns Dr. Rainier erklärte) war nach Osten ausgerichtet. Der Sandstein leuchtete in der Sonne rötlich, die mit Grünspan überzogenen Dachrinnen standen im Kontrast dazu. Auf dem großen runden Vorplatz prangte ein Brunnenbecken, in das jetzt bunte Chrysanthemen gepflanzt waren.
    »Wie viele Zimmer hat das Haus?«, erkundigte sich Sarah.
    »Ungefähr zwanzig, wenn man die Dienstbotenräume im zweiten Stock mitzählt«, antwortete Onkel Hank. »Es gibt zwei Treppenaufgänge, einen hinteren für die Angestellten und den vorderen für alle anderen. Ihr werdet staunen. Helen hat drinnen schon wahre Wunder gewirkt.«
    Als er »Helen« sagte, wurde Sarah sofort hellhörig. Siedrehte sich zu mir um und zog fragend die Augenbrauen hoch. Als ich mich dumm stellte, sagte ihr Blick so was wie: »ACH, NEEE!«
    Vor dem Haus parkten bereits mehrere Autos, darunter der weiße Kastenwagen der Spurensicherung aus Madison, außerdem ein Pick-up mit einer großen Thermoskanne auf der Ladefläche. Neben dem Haus diskutierten zwei Typen in Overalls. Sie hatten irgendwelche Geräte dabei. Ein dritter Mann stand mit einem Styroporbecher in der Hand neben dem Pick-up.
    »Wer ist das?«, fragte ich beim Aussteigen.
    »Vermessungsingenieure, die Madison unter Vertrag hat.« Onkel Hank schlug die Fahrertür zu und tippte grüßend an seinen Stetson. »Sie legen das Raster für die Bodenradar-Untersuchung an.«
    »Sind hier noch mehr Leichen verbuddelt?«
    »Ich glaub’s ja nicht, aber sicher ist sicher.«
    Der Typ mit dem Styroporbecher hieß Mosby und leitete die Aktion. Er begrüßte Onkel Hank, hielt den Becher hoch und fragte: »Wollt ihr Kaffee? In der Kanne ist noch reichlich. Krapfen sind auch noch da, bedient euch. Hab schon drei Stück verputzt.«
    »Ihr habt bei Gina angehalten«, stellte Onkel Hank fest und ließ die Tüte rumgehen. Ich nahm mir einen Krapfen und reichte die Tüte an Sarah weiter, die sehnsüchtig hineinspähte, aber den Kopf schüttelte. Onkel Hank biss in sein Gebäck und wischte sich die Zuckerkrümel vom Mund. »Als ich noch stellvertretender Sheriff war, hab ich erst mal fünf Kilo zugenommen, bis ich irgendwann nicht mehr jeden Tag bei Gina vorbeigefahren bin.« Die beiden Ingenieure spanntenjetzt an der linken,

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