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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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herum. Selbst die Schwarzen Männer sind untergetaucht.«
    »Die Zeit hat angehalten, nicht wahr?«, fragte Lobsang.
    »Ja.«
    »Und wieso kannst du hier stehen und mit mir sprechen?«
    »Ich bin nicht das, was man ein Geschöpf der Zeit nennen könnte«, sagte Fräulein Susanne. »Ich arbeite darin, aber ich brauche nicht darin zu leben. Es gibt mehrere von uns.«
    »Wie zum Beispiel Des Alten Schwierigkeiten?«
    »Ja. Und der Schneevater, die Zahnfee und der Sandmann. Solche Leute.«
    »Ich dachte, es seien Mythen.«
    »Und?« Susanne blickte erneut aus dem Zugang zur Gasse.
    »Im Gegensatz zu dir?«
    »Ich nehme an, du hast die Uhr nicht angehalten«, sagte Fräulein Susanne. Sie sah die Straße hinauf und hinunter.
    »Nein. Ich… kam zu spät. Vielleicht hätte ich nicht zurückkehren sollen, um Lu-Tze zu helfen.«
    »Wie bitte? Du bist gerannt, um das Ende der Welt zu verhindern, aber dann bist du stehen geblieben, um einem alten Mann zu helfen? Du… Held !«
    »Oh, ich würde nicht sagen, dass ich…« Lobsang unterbrach sich. Fräulein Susanne hatte »Du Held« nicht mit einer Stimme gesagt, die den Worten die Bedeutung »Oh, wie wundervoll von dir« verlieh. Es hatte eher nach »Du Idiot« geklungen.
    »Leuten wie dir begegne ich oft«, fuhr Susanne fort. »Helden haben eine sehr seltsame Vorstellung von einfacher Mathematik. Wenn du die Uhr zerstört hättest, bevor sie schlagen konnte, wäre alles in bester Ordnung. Aber jetzt hat die Zeit angehalten, und sie sind gekommen, und vermutlich müssen wir alle sterben, nur weil du stehen geblieben bist, um jemandem zu helfen. Ich meine, das ist sehr löblich und so, aber auch sehr, sehr… menschlich.«
    Sie benutzte das Wort, als sei es ein Synonym für »dumm«.
    »Du meinst, für die Rettung der Welt braucht man einen kühl kalkulierenden Mistkerl?«, erwiderte Lobsang.
    »Ich muss zugeben, kühler kalkulieren kann sehr nützlich sein«, sagte Susanne. »Sollen wir jetzt losgehen und uns die Uhr ansehen?«
    »Warum? Der Schaden ist angerichtet. Wenn wir die Uhr jetzt zerstören, wird alles nur noch schlimmer. Außerdem spielte der Zauderer verrückt, als ich mich ihr näherte, und deshalb hielt ich es für besser…«
    »… vorsichtig zu sein«, vervollständigte Susanne den Satz. »Gut. Vorsicht ist vernünftig. Aber ich möchte da etwas überprüfen.«
    Lobsang versuchte, sich zusammenzureißen. Diese seltsame Frau schien genau zu wissen, was sie wollte, und auch was alle anderen wollten. Außerdem… Hatte er eine Alternative?
    Dann fiel ihm der Joghurt ein.
    »Hat das etwas zu bedeuten?«, fragte er. »Ich bin sicher, das Ding fiel auf die Straße, nachdem die Zeit angehalten hatte.«
    Susanne nahm das Glas entgegen und betrachtete es. »Oh«, sagte sie wie beiläufig. »Ronnie ist in der Nähe gewesen.«
    »Ronnie?«
    »Ja, wir kennen ihn alle.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Nun, wenn er deinen Begleiter gefunden hat, ist alles in Ordnung mit ihm. Wahrscheinlich. Dann dürfte es ihm zumindest besser gehen als in der Gesellschaft gewisser anderer Leute. Hör mal, dies ist nicht der geeignete Zeitpunkt, sich um eine Person Sorgen zu machen. Kühles Kalkulieren, in Ordnung?«
    Sie trat aus der Gasse, und Lobsang folgte ihr. Susanne ging so, als gehörte ihr die Straße. Sie sah in jede dunkle Ecke, aber nicht wie ein potentielles Opfer, das einen Angriff fürchtete. Ganz im Gegenteil: Es schien sie zu enttäuschen, dass sie nichts Gefährliches entdeckte.
    Sie erreichte den Laden, betrat ihn und zögerte kurz, um die Blume aus zerbrochenem Glas zu betrachten. Ihr Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass sie so etwas für völlig normal hielt und viel interessantere Dinge gesehen hatte. Dann ging sie weiter und blieb an der Innentür stehen. Noch immer glühte Licht durch den Spalt, aber nicht mehr so hell wie vorher.
    »Es kommt zur Ruhe«, sagte Susanne. »Sollte eigentlich nicht so schlimm sein… Zwei Personen befinden sich dort drin.«
    »Wer?«
    »Warte, ich öffne die Tür. Und sei vorsichtig.«
    Die Tür bewegte sich ganz langsam, und Lobsang trat nach der jungen Frau in die Werkstatt. Der Zauderer drehte sich schneller.
    Die Uhr glühte in der Mitte des Zimmers. Es schmerzte, den Blick auf sie zu richten.
    Lobsang starrte trotzdem hin. »Ich… genau so habe ich sie mir vorgestellt«, sagte er. »Nur so kann sie…«
    »Kommt ihr nicht zu nahe«, warnte Susanne. »Es droht unsicherer Tod, glaub mir. Bitte pass auf.«
    Lobsang blinzelte.

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