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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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und hob den Zeigefinger
    vor die Nase des Kehrers. »Mit dir könnte ich jederzeit fertig werden, du kleiner Wurm!«
    »Und was willst du als Waffe einsetzen? Einen gefährlichen Joghurt?«
    Lu-Tze kletterte vom Wagen herunter.
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    Kaos sprang zu Boden. »Was fällt dir ein, so mit mir zu reden?«, fragte er scharf.
    »Wie rede ich denn mit dir?«, erwiderte Lu-Tze. »Du bist doch nur ein Milchmann.«
    Kaos brüllte. Er riss sich die gestreifte Schürze vom Leib, nahm auch die weiße Mütze ab und schien gleichzeitig größer zu werden. Dunkelheit wehte wie Rauch von seiner Gestalt.
    Lu-Tze faltete die Hände und lächelte. »Denke an Regel Nummer
    Eins«, sagte er.
    »Regeln? Ich bin Kaos!«
    »Der am Anfang war?«, fragte Lu-Tze.
    »Ja!«
    »Schöpfer und Zerstörer?«
    »Genau!«
    »Allem Anschein nach komplexes, strukturloses Verhalten, das jedoch
    eine einfache, deterministische Erklärung hat und neue Erkenntnisse
    über das multidimensionale Universum ermöglicht?«
    »Darauf kannst du dich ver… Wie bitte?«
    »Man muss mit der Zeit gehen und immer auf dem Laufenden
    bleiben!«, rief Lu-Tze aufgeregt und sprang von einem Bein auf das
    andere. »Du bist derjenige, für den dich die Leute halten! Und sie haben dich verändert! Ich hoffe, du kannst gut rechnen!«
    »Dir steht es nicht zu, mir zu sagen, was ich sein soll!«, donnerte Kaos.
    »Ich bin Kaos!«
    »Glaubst du? Aus deinem großen Comeback wird nichts, denn jetzt
    haben die Revisoren die Welt übernommen! Die Regeln, mein Lieber!
    Das sind sie! Kalte, tote Regeln !«
    Silberne Blitze flackerten in der wandernden Wolke, die einst Ronnie gewesen war. Plötzlich verschwand sie, zusammen mit Wagen und Pferd.
    »Nun, ich schätze, es hätte schlimmer kommen können«, sagte Lu-Tze
    zu sich selbst. »Kein sehr intelligenter Bursche. Und ein bisschen zu altmodisch.«
    Er drehte sich um und sah einige Dutzend Revisoren, die ihn
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    beobachteten.
    »Ich nehme an, ihr habt von der Regel Nummer Eins gehört?«
    Das schien die grauen Gestalten nachdenklich zu stimmen. Einer sagte:
    »Wir kennen Millionen von Regeln, Mensch.«
    »Milliarden«, fügte ein anderer hinzu. »Billionen.«
    »Nun, mich könntet ihr nicht angreifen«, sagte Lu-Tze. »Und zwar wegen der Regel Eins.«
    Die nächsten Revisoren steckten die Köpfe zusammen, um sich zu
    beraten.
    »Bestimmt geht es dabei um Gravitation.«
    »Nein, um Quanteneffekte, kein Zweifel.«
    »Logischerweise kann es keine Regel Eins geben, denn dann gäbe es
    kein Konzept der Pluralität mehr.«
    »Aber können andere Regeln existieren, wenn es keine Regel Eins gibt?
    Wenn die Regel Eins fehlt, wo ist dann Regel Zwei?«
    »Es gibt Millionen von Regeln! Und sie alle sind nummeriert!«
    Wundervoll, dachte Lu-Tze. Ich brauche nur zu warten, bis ihre Köpfe schmelzen.
    Doch dann trat ein Revisor vor. In seinen Augen glitzerte es, und sein Äußeres wirkte recht vernachlässigt. In der einen Hand hielt er eine Axt.
    »Wir brauchen dies nicht zu diskutieren!«, sagte er scharf. »Wir müssen denken: Dies ist Unsinn, und über Unsinn diskutieren wir nicht!«
    »Aber was ist Regel Ei…«!, begann ein Revisor.
    »Du hast mich mit ›Herr Weiß‹ anzusprechen!«
    »Was ist Regel Eins, Herr Weiß?«
    »Ich freue mich nicht darüber, dass du diese Frage stellst!«, heulte Herr Weiß und schwang die Axt. Der Körper des anderen Revisors
    zerbröckelte an der Klinge und wurde zu einer sich schnell auflösenden Wolke aus glitzerndem Staub.
    »Gibt es sonst noch jemanden, der irgendetwas fragen möchte?« Herr Weiß hob die Axt.
    Ein oder zwei Revisoren, die der allgemeinen Entwicklung ein wenig
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    hinterherhinkten, öffneten den Mund. Und schlossen ihn wieder.
    Lu-Tze wich einige Schritte zurück. Er war sehr stolz auf sein
    Geschick, sich selbst aus den schwierigsten Situationen herauszureden, doch dazu war am anderen Ende des Dialogs eine einigermaßen
    vernünftige Person erforderlich.
    Herr Weiß wandte sich an Lu-Tze. »Warum treibst du dich hier herum,
    Organischer?«
    Aber Lu-Tzes Aufmerksamkeit galt vor allem einer geflüsterten
    Konversation auf der anderen Seite einer nahen Mauer:
    »Der Wortlaut spielt doch überhaupt keine Rolle!«
    »Präzision ist wichtig, Susanne. Die kleine Karte auf der Innenseite des Deckels enthält eine genaue Beschreibung, sieh nur.«
    »Und du glaubst, damit jemanden beeindrucken zu können?«
    »Bitte. Wir sollten alles richtig machen.«
    »Ach, na schön. Gib mir den

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