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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Erdbeeren, Stachelbeeren,
    Veilchenessenz, Kirschen, Ananas, Pistazien, Orangen, Limonen,
    Zitronen, Kaffee, Kakao…«
    »Nichts, vor dem man Angst haben müsste.« Susanne sah sich nach
    nützlichen Waffen um. »Kakao ist nur eine bittere Bohne.«
    »Ja, aber…« Lady LeJean ballte die Fäuste, schloss die Augen und
    fletschte die Zähne. »Wenn man alles miteinander vermischt…«
    »Ruhig, ganz ruhig…«
    »Der Wille ist stärker als Emotionen, der Wille ist stärker als
    Instinkte…«, intonierte die Revisorin.
    »Gut, und jetzt arbeite dich bis zu der Stelle mit ›Schokolade‹ vor.«
    »Das ist der schwierige Teil!«
    Als sie an den Bottichen und Tischen vorbeigingen, fand Susanne, dass Schokolade in diesem Zustand viel von ihrer Attraktivität verlor. Ein ähnlicher Unterschied wie zwischen kleinen Pigmenthaufen und dem
    vollständigen Bild. Sie griff nach einer Spritze, die für sehr persönliche Dinge bei weiblichen Elefanten bestimmt zu sein schien. Vermutlich
    gelangte sie bei den schnörkeligen Verzierungen zum Einsatz.
    Und hier stand ein kleines Fass mit Kakaolikör.
    Susannes Blick glitt über Tabletts mit Fondantcreme, Marzipan und
    Karamell. Und auf dem Tisch standen Seelenkucheneier. Aber nicht die hohlen, nach Pappe schmeckenden Geschenke für Kinder. O nein, dies
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    waren die Konditor-Äquivalente von erlesenem Schmuck.
    Aus den Augenwinkeln sah sie eine Bewegung. Eine der statuenartigen
    Bäckerinnen stand halb über ein Tablett mit Pralinenträumen gebeugt
    und hatte kaum merklich ihre Position verändert.
    Zeit floss ins Zimmer. Hellblaues Licht glitzerte in der Luft.
    Susanne drehte den Kopf und bemerkte eine vage menschliche Gestalt,
    die neben ihr schwebte. Sie hatte keine besonderen Merkmale und war
    so transparent wie Dunst, doch ihre Stimme flüsterte hinter Susannes Stirn: Ich bin stärker. Du bist mein Anker, meine Verbindung zu dieser Welt.
    Hast du eine Ahnung, wie schwer sie unter so vielen anderen zu finden ist? Bring mich zur Uhr…
    Susanne wandte sich um und drückte die Zuckergussspritze der
    stöhnenden Myria in die Hand. »Nimm das. Und besorg dir eine…
    Schlinge oder so. Ich möchte, dass du so viele Schokoladeneier wie
    möglich trägst, außerdem auch Pralinen mit Creme- und Likörfüllung.
    Verstanden? Du schaffst es!«
    Bei den Göttern, es gab keine Wahl. Das arme Wesen brauchte
    moralischen Auftrieb. »Bitte, Myria. Und das ist ein dummer Name! Du bist nicht viele, sondern eine. Sei einfach… du selbst. Unity… Das wäre ein geeigneter Name für dich.«
    Die neue Unity hob den Kopf und zeigte ihr von Lidschatten
    verschmiertes Gesicht. »Ja, das stimmt. Ein guter Name…«
    Susanne griff nach so vielen Schokoladenteilen, wie sie tragen konnte.
    Als sie ein Rascheln hörte, drehte sie sich um und sah, wie Unity
    Pralinen gleich kiloweise in…
    … einer Art kirschrotem Beutel verstaute.
    »Oh. Gut. Intelligenter Gebrauch zur Verfügung stehender
    Materialien«, sagte Susanne. Dann meldete sich die Lehrerin in ihr zu Wort und fügte hinzu: »Ich hoffe, du hast für alle genug mitgebracht.«

    »Du warst der Erste«, sagte Lu-Tze. »Du hast praktisch den Grundstein für alles gelegt. Warst außerordentlich innovativ.«
    »Das war damals«, erwiderte Ronnie Soak. »Heute ist alles anders.«
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    »Nicht mehr so wie früher«, pflichtete ihm Lu-Tze bei.
    »Nimm nur Tod«, sagte Ronnie Soak. »Beeindruckend, zugegeben.
    Und wer sieht in Schwarz nicht gut aus? Aber… was ist der Tod
    eigentlich?«
    »Nur ein langer Schlaf«, meinte Lu-Tze.
    »Nur ein langer Schlaf«, bestätigte Ronnie Soak. »Und was die anderen betrifft… Krieg? Wenn er so schlimm ist – warum lassen sich die Leute dann immer wieder darauf ein?«
    »Praktisch ein Hobby«, sagte Lu-Tze und begann damit, sich eine
    Zigarette zu rollen.
    »Praktisch ein Hobby«, wiederholte Ronnie Soak. »Und Hunger und
    Pestilenz… Nun…«
    »Ein Kommentar erübrigt sich«, sagte Lu-Tze voller Anteilnahme.
    »Genau. Ich meine, Hunger ist natürlich schrecklich…«
    »… in einer landwirtschaftlichen Gemeinschaft, aber man muss mit der Zeit gehen.« Lu-Tze schob sich die Zigarette zwischen die Lippen.
    »Genau das ist es. Man muss mit der Zeit gehen. Ich meine, fürchtet
    der durchschnittliche Städter den Hunger?«
    »Nein, er glaubt, dass die Lebensmittel in den Geschäften wachsen«,
    erwiderte Lu-Tze. Er fand allmählich Gefallen an dieser Sache.
    Achthundert Jahre lang hatte er die Gedanken seiner

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