Der Zeitenherrscher
Schatten. Danach bin ich ohnmächtig geworden und erst auf diesem Schiff wieder erwacht.“
Simons Blick ruhte auf dem Messer in Caspars Hand, das im Schein des Feuers silbern aufschimmerte. Auch die anderen wirkten betroffen und nachdenklich. Niemand sagte ein Wort. Ihnen allen war es so ergangen. Nach der Entführung durch den Schattengreifer waren sie hier auf dem Schiff erwacht. Als seine Gefangenen.
Was nur hatte der Schattengreifer vor? Simon stellte sich die Frage gewiss zum hundertsten Mal.
Er hob die Hand und strich Caspar über die Schulter, denn er fand keine rechten Worte, um sein Mitgefühl auszusprechen. Ebenso wie alle anderen hier hatte Caspar ein Schicksal hinter sich, das Simon verstummen ließ.
Caspar schien froh zu sein, dass alle schwiegen und ihn nicht mit weiteren Fragen überhäuften.
Ein Vibrieren durchzog das Schiff.
Kurz.
Simon dachte an die Zeitmaschine im Rumpf. An die Glaskugel in der Mitte der Apparatur, in der sich das Herz des Schattengreifers befand und dessen Herzschläge für die Vibrationen verantwortlich waren. Jetzt, in der Stille dieser Runde, wirkt das Rumoren lauter als sonst, dachte Simon, als dem ersten Vibrieren auch schon ein zweites folgte. Simon horchte auf. So dicht hintereinander? Das war ungewöhnlich. Normalerweise brauchte es einige Zeit, bis das Herz sich aufgebläht hatte und dann rumorend in sich zusammenfiel. Es …
Wieder durchzog ein heftiges Vibrieren das Schiff. Der Seelensammler knarrte laut.
Ich bilde mir das nicht ein, schoss es Simon durch den Kopf. Das Vibrieren ist häufiger und stärker als sonst.
Ein erneutes Rumoren. Das Herz kam in Gang.
Auch die anderen hatten es inzwischen bemerkt. Sie blickten einander an.
„Was geht hier vor?“
Statt Salomon eine Antwort zu geben, sprang Simon auf die Füße. „Komm!“, rief er seinem Freund zu und packte ihn am Arm. Vor den erstaunten Blicken der anderen rannten sie zu der großen Bodenluke vor der Kajüte.
Simon ließ sich auf die Knie fallen und ergriff den Eisenring, mit dem sich die Luke öffnen ließ. „Hilf mir!“, forderte er Salomon hektisch auf. Ihm waren die schwarzen Gewitterwolken nicht entgangen, die sich in rasender Eile über dem Schiff bildeten.
Der Seelensammler wurde von einem Rumoren ergriffen, das ihn bis in den letzten Winkel erzittern ließ.
„Warum kommt die Zeitmaschine in Bewegung? Von allein? Das hat sie noch nie getan!“, rief Simon, während er nach dem Eisenring griff.
Salomon schien darauf antworten zu wollen, zuckte dann jedoch nur mit den Schultern, und gemeinsam zerrten sie an der Luke.
Auch die anderen Zeitenkrieger waren inzwischen aufgesprungen. Nin-Si stand an der Reling und beobachtete angestrengt das Meer, das rund um das Schiff in Bewegung geraten war. Spitze Wellen schlugen in völlig unnatürlichen Bewegungen gegen die Schiffswand. Mit jeder Sekunde wurden diese Wellen spitzer, größer und aggressiver.
Moon löschte mit einem Eimer voll Wasser das Feuer in der Silberschale, während Neferti die Decken zusammensuchte, auf denen sie gesessen hatten. Allen standen die Überraschung und Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Keiner von ihnen wusste, was hier geschah – am allerwenigsten wohl Caspar, der mit gezücktem Messer in der Schiffsmitte stand.
In diesem Moment kam ein Sturm auf, der an den Segeln zerrte. Gleichzeitig fiel das Herz in der Zeitmaschine mit einer solchen Kraft in sich zusammen, dass das gesamte Schiff davon ergriffen wurde: Mit einem ohrenbetäubenden Knarren zog es sich urplötzlich zusammen, und Simon wartete nur darauf, dass das Schiff in der Mitte zerbrach. Doch mit einem weiteren Knarren dehnte es sich wieder aus.
Die Krähen stoben kreischend aus ihren Körben. Aus den Augenwinkeln heraus konnte Simon auch die kleine Krähe erspähen, die er so mochte.
„Wir müssen die Maschine schnellstens nach oben schaffen!“, rief er Salomon zu. „Einen weiteren Druck von innen hält der Seelensammler nicht mehr aus!“
Endlich gelang es ihm und Salomon, die Bodenluke zu öffnen. Im Dunkel des Schiffsrumpfes konnte Simon nur erkennen, dassder Apparat bereits unter Hochdruck arbeitete. Es wirbelte und polterte im Inneren des Schiffes. Der Lärm der Maschine verdichtete sich mit dem Heulen des Sturmes zu einem schmerzhaften Getöse, und die Wellen peitschten bereits über die Reling.
Moon und Nin-Si waren zu dem Tau an der Backbordseite gesprungen, mit dem sich die Maschine wie bei einem Flaschenzug über den Querbalken am
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