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Der Zeitläufer

Der Zeitläufer

Titel: Der Zeitläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald A. Wollheim
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Vergangenheit, und das einzige wirkliche Talent ging unter. Man ließ Turnhill gar nicht aufkommen.
    Kurz nach zwölf war es aus, und ich holte meinen Wagen und parkte ihn gegenüber dem Hauptausgang der Halle. Es regnete, und jetzt weiß ich, daß dieser Regen notwendig zum zeitlichen Ablauf gehörte.
    Er war der letzte, der herauskam. Die anderen waren alle schon mit einheimischen Mädchen verschwunden. Er war mißtrauisch, als ich ihm anbot, ihn nach Hause zu bringen, aber er hatte keinen Regenmantel dabei, und es regnete ziemlich stark.
    Ich erzählte ihm meine alte Geschichte von Baltimore – Elektronik-Ingenieur und Jazzfan. Da ich die Poster gesehen hätte, sei ich in Florence geblieben, um die berühmte Curry Band spielen zu hören. Ihn selbst hätte ich ein paarmal bei Benny Case gehört, als dieser vor ein paar Jahren in Michigan war, und ich könne nicht verstehen, daß er bei Curry keinen Solopart bekomme.
    Er sagte darauf, sein Stil passe nicht ganz, und er habe sich ein neues Mundstück gekauft, um den Ton ein wenig dicker zu machen, wie Curry ihn haben wollte.
    Mir stellten sich die Haare auf, als ich das hörte. Da war nun ein Musiker, der mehr Einfluß auf die Sublimierung der ganzen Musik haben sollte als sonst jemand in der Geschichte, und ausgerechnet dieser Musiker erzählte mir in aller Ruhe, er sei dabei, den klarsten Instrumentalton, den ich je gehört hatte, zu verstümmeln, und das sagte er so, als erzähle er mir, er wolle sich einen neuen Hut kaufen.
    Während ich das zu verdauen versuchte, fragte ich ihn nach seinen Plänen, ob er gedenke, weiter bei Curry zu bleiben. Natürlich rechnete ich damit, daß er wenigstens andeutete, wie unzufrieden er mit der Musik sei, die er dort zu machen habe.
    Er machte jedoch nur eine vage Bemerkung über eine Band in New York, doch das war eine Lüge, die nur seiner Eitelkeit diente. Dabei war er doch der klassische Kandidat für eine Revolte, weil er etwas konnte. Und ausgerechnet er schien resigniert zu haben.
    Als wir vor seinem schäbigen Hotel hielten, schlug ich ihm vor, er solle auf einen Drink mit zu mir kommen. Die Einladung nahm er gerne an, und wir fuhren wieder in die Stadt zurück.
    Er schien sich darüber zu freuen, daß ich ihn zu mir gebeten hatte, und nun ging er auch ein wenig aus sich heraus. Sechsundzwanzig Jahre alt, davon zehn Jahre Musiker, aber noch immer ein schüchterner Kleinstadtjunge aus Oklahoma; bis in die Fingerspitzen angefüllt mit Tönen und Melodien, von denen keiner in seiner Band eine Ahnung hatte. Nachdem er sich in kleinen Bands eine gewisse Reputation erworben hatte, mußte es für ihn eine traumatische Erfahrung sein, in Curry's Band eine Nummer unter anderen zu sein und sich einen Stil aufzwingen zu lassen, dem er künstlerisch längst schon entwachsen war. Jetzt war er nur noch ein kleiner, müder, verwirrter Mann.
    Das war glatter Mord. Aber ich wußte auch, wenn er einmal die Sam Lacey Band hörte, dann mußte das der Wendepunkt seines Lebens sein. Und ich wußte ferner, daß er schon lange, ehe ich geboren war, in künftigen Büchern der Jazzgeschichte stand, egal was immer er auch bisher getan, unterlassen und gesagt hatte.
    Da er sich offensichtlich nun wohler fühlte, fragte ich ihn, ob er die Sam Lacey Band schon gehört habe, und er antwortete, er kenne Lacey wohl ein wenig, aber er habe nicht gewußt, daß er jetzt eine eigene Gruppe zusammengestellt habe.
    Damit hatte er eine Seite im Buch der Geschichte umgeblättert. Jetzt brauchte ich nur noch den Schlüssel zu allem, den Sinn des Ganzen, die direkte Verbindung zum Blackjack Club in Kansas City, zu den beiden Tagen dort – und da fielen plötzlich alle Stückchen des Puzzles an ihren Platz. Alles paßte nahtlos.
    Was bisher geschehen war, hatte mich erschüttert, doch dies war wieder etwas anderes – es jagte mir Angst ein, denn es bestätigte einen Verdacht, den ich mein Leben lang gehabt hatte. Aber es geschah, und rückgängig machen läßt sich nichts. Der freie Wille ist nichts als ein Mythos, ein Wunschdenken, das in der Eitelkeit wurzelt.
    Im Transferzentrum sprechen sie von der Zeit als Aktionsfaktor, der einen wesentlich größeren Einfluß auf unser aller Leben ausübe als man sich träumen lasse ... Mein Geist stolpert an dieser Zeitlinie entlang, ohne je mehr davon zu fassen zu bekommen als einen flüchtigen Griff. Oh, Jesus, wenn ich denke, daß alles, was ich sage, tue, jede Bewegung die ich mache, ja, sogar jeder Gedanke, den ich

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