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Der Zeitläufer

Der Zeitläufer

Titel: Der Zeitläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald A. Wollheim
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wie zur Zeit ihres Reisebeginns. Trotzdem war sie, als vereinigter Geist, jetzt wieder viel klüger als während der jahrhundertelangen Reise. Das brauchte sie jetzt, denn in den Stunden und Minuten vor ihrer Begegnung mit Abel II mußte sie mehr Analysen machen und Entscheidungen treffen als je vorher.
    Eine Stunde bis Kontakt. Ilse befand sich nun in der Kreisbahn des äußeren Mondes ihres Ziels, und dieses Ziel war ein blauer und weißer Halbmond. Ihr Landegebiet lag noch jenseits des Horizonts, aber das war im Moment unwichtig. Ihre bedeutendste Aufgabe war die biochemische Untersuchung, denn die wurde von ihrem Überlebensprogramm gefordert. Sie forschte also nach Anzeichen von Grün unter der Wolkendecke. Sie fand eine große Insel in einem Ozean von der Größe des irdischen Pazifiks. Hier konnte sie nun nach Aminosäuren suchen. Alle fünfzig Sekunden nahm sie eine neue Schätzung der Atmosphärendichte vor. Die Probleme schienen noch komplizierter zu sein, als ihre Trainingsübungen in der Erdumlaufbahn.
    Fünf Minuten bis Kontakt. Sie war noch vierzigtausend Kilometer entfernt, und die nebelverhangene Halbmondspitze ihres Planeten füllte ihren Himmel aus. In den nächsten zehn Sekunden mußte sie entscheiden, ob sie auf Abel II landen wollte. Daran hing der Erfolg ihrer Zehntausend-Jahre-Mission. Ilse wußte ja, daß sie niemals wieder fliegen konnte, wenn sie landete. Ohne die immensen Treibstoffvorräte, mit denen sie auf ihre Reise geschleudert wurde, war sie nichts als nur ein Gehirn, ein Hitzeschild und ein Klumpen gefrorenen Wassers. Beschloß sie, an Abel II vorbeizufliegen, dann mußte sie einen großen Teil ihrer restlichen Raketenenergie dafür verbrauchen, daß sie einen neuen Kurs einschlug, der im rechten Winkel zum bisherigen stand. Diese Zündung würde sie knapp jenseits des obersten Randes der Planetenatmosphäre entlangführen, und dreizehn Monate später würde sie dann in die Nähe von Baker kommen. Vielleicht hatte sie dann noch genug Treibstoff, um in die Atmosphäre von Baker II einzudringen. Wenn jedoch dieser Planet sich als nicht bewohnbar herausstellte, gäbe es kein Zurück mehr. Sie mußte dort landen oder in die interstellare Dunkelheit weiterjagen.
    Ilse überlegte drei Sekunden lang und kam zu dem Ergebnis, daß Abel II alle ihr noch bekannten Vorbedingungen erfüllte, während Baker II ein bißchen zu gelb und ein bißchen zu trocken schien.
    Ilse drehte sich um neunzig Grad und warf die kleine Rakete ab, die ihr soviel Sorge bereitet hatte, dann auch das Teleskop, das ihr so ausgezeichnet gedient hatte. Sie trieb, eine weiße bikonvexe Scheibe, zwölf Meter im Durchmesser, fünfzehn Tonnen in der Masse, unteilbar weiter.
    Sie drehte sich erneut um neunzig Grad, um auf ihren Kurs zurückschauen zu können. Viel konnte sie nicht sehen, weil sie ja kein Teleskop mehr hatte, aber sie erkannte einen winzigen Lichtpunkt, der die Erdensonne war, und nun grübelte sie wieder über all die vergessenen Programme nach.
    Noch fünf Sekunden. Ilse schloß ihr Auge und wartete.
    Der Kontakt begann mit einer kaum wahrnehmbaren Akzeleration. Innerhalb von zwei Sekunden steigerte sich die Beschleunigung auf zweihundertundfünfzig g. Das lag jenseits jeder Erfahrung, aber sie war so gebaut, daß sie diese ungeheure Belastung ertrug. Ihr Körper enthielt keine beweglichen Teile und – mit Ausnahme des Kernreaktors – keine Hohlräume. Die Schwierigkeit lag darin, daß sie ihren Körper nicht drehen lassen durfte, wenn sie nicht verglühen wollte. Sie wußte nur nicht, weshalb sie die Drehbewegung vermied. Dann wiederholte Ilse die ganze Landetechnik, welche die Menschheit vor so ungeheuer langer Zeit ausgearbeitet hatte.
    Ilse mußte jedoch mehr als die achthundertfache kinetische Energie einer zurückkehrenden Apollokapsel abbremsen, und deshalb war ihr Manöver unendlich gefährlicher. Da ihre Schöpfer sie nicht mit einer so mächtigen Rakete hatten ausstatten können, die eine ausreichende Bremswirkung erbracht hätte, blieb Ilse nur diese eine Möglichkeit.
    Sie mußte ihre ganze Klugheit aufbieten, denn die Akzeleration stieg auf fast fünfhundert g an. Ilse wußte, daß sie darüber hinaus das Bewußtsein verlieren mußte. Nur ein paar Zentimeter von ihrem Körper entfernt glühte die Luft in einer unvorstellbaren Hitze. Der Feuerball, der sie umgab, beleuchtete den Ozean, der siebzig Kilometer unter ihr lag, taghell.
    Vierhundertfünfzig g. Ein Cryostat barst, ein Zweig ihres

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