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Der Zeitläufer

Der Zeitläufer

Titel: Der Zeitläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald A. Wollheim
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Gehirns war tot. Aber Ilse arbeitete noch immer geduldig. Wenn sie korrekt gerechnet hatte, blieben ihr noch knappe fünf Sekunden.
    Sie kam bis auf sechzig Kilometer herab, dann stieg sie erneut zurück in den Raum. Jetzt war ihre Geschwindigkeit nur noch sieben Kilometer pro Sekunde. Dann fiel die Akzeleration auf fünfzehn g, schließlich auf null. Sie beschrieb eine langgezogene Ellipse, um so sanft wie möglich in die tieferen Atmosphärenschichten von Abel II einzutauchen.
    Bei zwanzigtausend Metern Höhe öffnete Ilse ihr Auge und musterte die Welt unter ihr. Einige ihrer Gestalt-Programme waren vernichtet, und ihre Linse hatte einen Sprung, aber sie sah Grün und wußte, daß sie ganz ordentlich navigiert hatte.
    Es wäre ein triumphaler Moment gewesen, wenn sie sich nur daran hätte erinnern können, was sie nach der Landung tun sollte.
    Bei zehntausend Metern ließ Ilse den Paragleiter aus dem Rumpf hinter ihrem Auge schießen. Die zähe Plastikhaut blühte über ihr zu einem Landefallschirm auf, und ihr Fall wurde zu einem sanften Gleiten. Ilse sah, daß sie nun über einer Prärie flog, die hier und da mit Wald durchsetzt war. Es war Sonnenuntergangszeit, und Berge und Hügel warfen lange Schatten, so daß die topographische Bestimmung ziemlich einfach war.
    Zweitausend Meter Höhe, noch etwa acht Kilometer Gleiten. Ilse sah nach vorne, erkannte ein Wäldchen, und ein Bach schimmerte durch die Bäume. Dann war eine Lichtung mitten im Wald, und ein vages Randbewußtsein sagte ihr, das sei der richtige Landeplatz. Sie zog eine Reißleine des Landefallschirms, so daß ihr Abstieg steiler wurde. Drei oder vier Meter über den Bäumen, welche die Lichtung umgaben, zog Ilse die zweite Reißleine, so daß sie geradewegs in tiefes, feuchtes Gras fiel. Der grüne Paragleiter sank über ihrem angekohlten Körper zusammen, und nun konnte man sie leicht für einen großen schwarzen Felsblock halten, der von Grün überwuchert war.
    Die Reise, die sie durch hundert Jahrhunderte und vier Lichtjahre geführt hatte, war nun zu Ende.
     
    *
     
    Ilse lauschte in die sich vertiefende Dämmerung. Geräusche waren eine ganz neue Dimension für sie. Winzige Dinger huschten in ihre Löcher, der Bach gluckerte und plätscherte vor sich hin, und in der Ferne zirpte etwas. Dann endete das Zwielicht, und flacher Nebel breitete sich über die Lichtung. Ilse wußte, daß ihre Reise zu Ende war. Niemals mehr würde sie sich vom Fleck bewegen. Das machte nichts aus, denn es war ja so geplant gewesen. Sie wußte, daß viel von ihrem Computer, ihrem Geist, bei der Landung zerstört worden war, und viel länger als ein Jahrhundert oder auch zwei würde sie als bewußtes, denkendes Wesen nicht überleben. Es machte nichts aus. Unwichtig.
    Wichtig war, daß die Mission noch nicht vollendet war. Das wußte sie, denn sonst wäre das riesenhafte Spiel ihrer Schöpfer ja nur ein sinnloses Spiel gewesen. Diese Möglichkeit war das einzige, was Ilse erschrecken konnte. Es war Teil ihres Wesens.
    Eine Durchforschung ihrer verbliebenen Programme ergab nichts. Sie prüfte den Rest ihres Körpers nach auf eine fast destruktive Art, die sie früher nie gewagt hätte, als sie noch Jahrhunderte von ihrem Ziel entfernt war. Schließlich kam sie zu jenem Eisklumpen, den sie so lange mit sich herumgetragen hatte. Da einer ihrer Cryostate gebrochen war, konnte sie ihn nicht länger als ein paar Jahre bei der richtigen Temperatur halten. Und dann fielen ihr die scheinbar nutzlosen Spuren ein, die in die Masse führten. Nun blieb noch ein Versuch übrig.
    Ilse schaltete ihre Cryostate herab und wartete, bis die Temperatur in ihrem Innern stieg. Zuerst erwärmte sich das Eis um den winzigen Kernreaktor. Irgendwo in der gefrorenen Masse dehnte sich ein kleines Metallstückchen gerade weit genug aus, um einen Stromkreis zu schließen, und nun entdeckte Ilse, daß ihre Schöpfer eine letzte Vorsichtsmaßnahme getroffen hatten, um ihre Zuverlässigkeit zu garantieren.
    Am Grund der eisigen Masse, in unmittelbarer Nähe des Reaktors, hatten sie eine Gedächtnis-Hilfseinheit montiert, und jetzt war sie Ilse zugänglich. Die Menschen, die sie erschaffen hatten, waren sich darüber klar gewesen, daß es nicht nur die Gefahren gab, die sie vorhersehen konnten, sondern noch viele andere, von denen sie nichts ahnten. Deshalb hatten sie beschlossen, dieses Hilfsgedächtnis inaktiv zu lassen, bis das Ende tatsächlich kam. Und diese neue Gedächtniseinheit war von ihrer

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