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Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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die Bibliothek. Der Plan, der in Romulus Geist Gestalt annahm, wurde durch die Ankunft eines neuen Ankoriten in der Bibliothek bestärkt. Dieser kam unerwartet und es überraschte umso mehr, dass er auch ein Erlkönig war: Der Sohn eines Zimmermanns aus der Stadt Nazareth.«
    »Jesus Christus.«
    »Genau der. Und er sollte der Auslöser für die Zerstörung jener Welt sein, die Romulus beinahe achthundert Jahre zuvor geschaffen hatte und von der er – wie jeder andere zivilisierte Mensch auf der Welt – fest glaubte, dass sie Tausende von Jahren Bestand haben würde: das Heilige Römische Reich.«
    »Augenblick mal«, sagte Ham. »Willst du damit sagen, dass dieser Ankorit Romulus…«
    Duk nickte. »Derselbe Romulus war, der mit seinem Zwillingsbruder Remus von einem Wolf aufgezogen wurde und später am Ufer des Tiber Rom gegründet hat. Obwohl sich das ursprüngliche Königreich in eine Republik umgewandelt hatte, war Roms Einfluss auf den Lauf der Geschichte unübertroffen. Doch die Geschichte, die mit der Herrschaft des neuen Erlkönigs anbrach, sollte nicht nur den Einfluss Roms überschatten, sondern weiter wachsen, bis sie Rom als größte kulturelle, religiöse und historische Macht der Welt seit Anbeginn der Zeit ersetzt hatte. Das konnte Romulus nicht hinnehmen, und so verließ er die Bibliothek. Er begab sich auf die Suche nach dem einzigen Mittel, mit dessen Hilfe er die bevorstehenden Ereignisse verhindern konnte: Er suchte einen weiteren Erlkönig; einen, der geopfert werden konnte, um damit die Tore der Schöpfung aufzustoßen und den Fluss der Zeit zu ändern. Joshua -Jesus, oder ›I‹, wie wir ihn nannten – war der erste Erlkönig, der jemals als Ankorit in die Bibliothek gekommen war. Normalerweise wurden die Kreisläufe der Zeit von den Erlkönigen beherrscht oder zumindest beeinflusst. Dann wurde ihre Geschichte zusammengetragen und von jemand zur Bibliothek gebracht, der dort zum neuen Lehrer wurde. Als Joshua eintraf, war seine Geschichte jedoch noch ungeschrieben. Er würde die Bibliothek also eines Tages wieder verlassen müssen. Als der richtige Zeitpunkt gekommen war, kehrte Joshua in sein Heimatland zurück und versammelte nach dem Vorbild der Bibliothek eine Gruppe von Anhängern um sich. Nachdem er dies vollbracht hatte, machte er sich daran, jene Welt zu gestalten, zu deren Erschaffung er ausersehen war. Romulus hatte das jedoch vorausgesehen, und als die Zeit des Übergangs zwischen zwei Kreisläufen gekommen war, versuchte R eine Umkehrung einzuleiten, indem er einen anderen Erlkönig opferte – einen Erlkönig, der zu seiner eigenen Blutlinie gehörte.«
    »Allah beschütze uns«, hauchte Hammurabi. »Lucius. Er hat Lucius geopfert.«
    »Ja.«
    »Wenn ein Blutopfer eine Umkehrung einleitet, kann diese Umkehrung dann nicht auf die gleiche Weise wieder rückgängig gemacht werden?«, fragte Fischmehl.
    »Natürlich«, sagte Bragi. »Diesen Weg hat Odin gewählt, als er sich auf Yggdrasil aufgespießt hat.«
    »Ja«, sagte Duk, »und das gleiche ist auch vor zweitausend Jahren geschehen, als sich der Nazarener geopfert hat, um die zukünftige Welt zu retten.«
    »Das war nicht ganz das gleiche«, warf Ham ein. »Die Römer haben Christus gekreuzigt. Dabei hatte er eigentlich kein Mitspracherecht.«
    Das Kind lächelte den Piloten sanft und doch wissend an. »Oh, das hatte er sehr wohl. Vertrau mir – wäre es nicht sein Wunsch gewesen, diesen kleinen Tod zu erleiden, hätte keine Macht der Welt dieses Ereignis herbeiführen können.«
    »Steht nicht in seiner eigenen heiligen Schrift, dass es nicht seine Entscheidung gewesen ist, sondern die seines Vaters. Du weißt schon, ›nicht mein Wille geschehe, sondern der deine‹?«, erwiderte Ham trocken.
    »Das stimmt«, räumte Duk ein, »doch die wahre Bedeutung ist verzerrt worden. Er wollte damit sagen, dass es sein Wille sei, den Willen seines Vaters geschehen zu lassen. Er hat es freiwillig getan, und das ist der entscheidende Unterschied.«
    »Freiwillig?«, fragte Ham. »Woraus schließt du das?«
    »Es ist äußerst schwierig, einen Erlkönig umzubringen«, sagte Duk und grinste Bragi an. »Das ist euch zweifellos schon aufgefallen. Um die von Romulus eingeleitete Galder- Umkehrung aufzuhalten, mussten zwei Dinge geschehen: Zunächst musste das ursprüngliche Muster verankert werden, bevor das aufgezwungene Muster sich durchsetzte. Das hatte innerhalb von sieben Tagen zu geschehen. Und zweitens musste ein weiterer Erlkönig

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