Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
Vom Netzwerk:
Volk instinktiv verehrt und von den Anführern geachtet, die seine Dienste auf einer weltlicheren Ebene schätzten – beinahe so, wie die heutigen Machthaber die Massenmedien hofieren. Bragi selbst hat einmal gesagt:
     
    ›Es schwindet Besitz,
    Verwandte verscheiden,
    du selbst stirbst einst ebenso;
    doch weiß ich eines,
    was niemals stirbt:
    das Urteil über des Sterblichen Werk.‹«
     
    Bragi strahlte. »Ich war der erste wirklich große P.R.-Agent.«
    »In der Tat«, sagte Duk. »Man war der Meinung, dass der Ruf, furchtlos und ehrenhaft zu sein, nicht nur eine Form von Unsterblichkeit zur Folge hatte, sondern darüber hinaus ein nützliches Abschreckungsmittel gegen Feinde darstellte und einem zu Lebzeiten zur Sicherung der eigenen Herrschaft dienen konnte. Daher waren jene, die die Macht der Redegewandtheit besaßen, hoch geschätzt, und niemand war wortgewandter als Bragi Boddason. Die Frage lautete jedoch: Genügten die schöpferischen Kräfte eines Skalden, um einen Gott zu erschaffen? Viele Gelehrten waren dieser Ansicht. Sie hielten es für sehr wahrscheinlich, dass der Dichter Bragi mit dem Gott identisch war und machten in ihren Studien der nordischen Völker auch keinen Unterschied zwischen dem Dichter Bragi Boddason und Bragi dem Älteren. Beide Namen sind dem selben Dichter zugeschrieben worden, in Wirklichkeit handelte es sich jedoch um zwei verschiedene Individuen. Um diese Verwirrung zu erklären, behaupteten einige, Bragi sei einfach nur ein weiterer Held, der Aufnahme in Walhalla gefunden hatte und mit einem Abbild von Odin verwechselt oder verknüpft wurde, der ebenfalls ›Gott der Dichtkunst und Inspiration‹ genannt wurde. Einer von Odins vielen Namen soll sich durch ein Missverständnis der Dichter verselbstständigt haben und zu einer eigenständigen Gottheit geworden sein.«
    »Hah«, schnaubte Bragi verächtlich, »erzähl das Loki.«
    Duk sagte erläuternd: »Loki, der – wie ihr wisst – nicht der Höflichste unter den Göttern war, gab sich große Mühe, Bragi zu beleidigen. Er sorgte dafür, dass seine Verse an die Dichter und Skalden weitergegeben wurden. Sollte Bragi ein anderer Name für Odin oder lediglich ein weiterer sterblicher Held gewesen sein, dann ist es merkwürdig, dass Loki ihn als eigenständige Persönlichkeit betrachtete, die seine Beleidigungen ebenso verdient hatte wie die anderen Götter.«
    »Er könnte neidisch gewesen sein«, gab Bragi zu bedenken.
    »Möglicherweise«, sagte Duk. »Bragi soll der Sohn des Odin und der Frigg gewesen sein. Damit würde er für einen Gott, der von den Riesen abstammte, tatsächlich eine Bedrohung darstellen.«
    »Dass meine Frau ordentlich Holz vor der Hütte hatte, war sicher auch nicht unwesentlich«, sagte Bragi stolz. »Ich meine, was sie auch sonst über mich gesagt haben mögen – meine Frau war klasse.«
    »Aber ich dachte, Idun – die Sibylle – sei ein großes Geheimnis gewesen«, sagte Fischmehl. »Wussten denn alle Götter von ihr?«
    »Im Grunde schon. Ihre prophetischen Fähigkeiten als Sibylle waren es, die geheim gehalten wurden.«
    »Damit alle Götter jung blieben«, mischte sich Ham ein, »hat sie mit ihnen allen geschlafen? Sogar mit den, äh, Frauen?«
    »Wahrhaftig nicht«, sagte Bragi beleidigt. »Der Beischlaf war einzig den Erlkönigen vorbehalten, um die Bewahrung ihrer Blutlinien unter den Sterblichen sicherzustellen. Für die Götter waren die Äpfel bestimmt, die zu den vielen Geheimnissen Iduns gehörten. Als Göttin der ewigen Jugend wachte sie über die goldenen Äpfel der Jugend. Wenn die Götter das Alter heranrücken sahen, mussten sie nur einen der Äpfel essen, um wieder jung zu werden.«
    »War das die einzige Art, wie sie ihre Jugend und ihr langes Leben aufrechterhalten konnten?«, fragte Ham.
    »In der Praxis ja«, erwiderte Duk. »Idun wurde einmal von einem Sturmriesen namens Thiazi entführt, und daraufhin begannen die Götter sofort zu altern. Idun wurde schließlich von Loki gerettet, der sie in eine Nuss verwandelte und zu ihrem Wohnsitz zurückbrachte. Kurze Zeit später erhielten die Götter ihre Jugend zurück.«
    »Wie konnte ein Riese eine Göttin entführen?«, fragte Fischmehl.
    »In der nordischen Mythologie war Thiazi ein Sohn des Riesen Alwaldi. Dieser war auch der Vater der Riesin Skadi, die Frau des Wanengottes Njörd. Thrymheim war Thiazis Bergfestung in Jotunheim, dem Land der Riesen. Und wie alle Riesen war er im Gebrauch der Magie bewandert. Mit Hilfe eines

Weitere Kostenlose Bücher