Der Zeitspieler
der Hand – und das war das Problem. Waghalsig stieg er die Stufen zu ihr hoch. »Es gibt nur zwei Möglichkeiten«, knurrte er. »Entweder wir leben zusammen, wie es naturgemäß richtig ist, oder du mußt mich umbringen.«
»Wag dich keinen Schritt näher!« drohte Lela, aber ihre Stimme klang nicht sehr fest. Zitternd fügte sie hinzu: »Ohne verheiratet zu sein, kann ich es nicht tun.«
»Wo ist da der Unterschied?« fragte Cargill. »Du weißt ohnehin, daß ich bei dir bleiben werde. Wohin sollte ich schon gehen?«
Er stieg noch eine Stufe näher, so daß das Rohr des Schockers gegen sein Hemd drückte. »Ich werde bleiben, aber herumkommandieren lasse ich mich nicht – und auch nicht vertrösten!«
Absichtlich preßte er sich gegen den Schocker. Sie machte einen Schritt zurück. Er legte die Hände auf ihre Schultern und zog sie an sich, ohne auf die Waffe zu achten. Sie wehrte sich nicht, aber sie kam ihm auch nicht entgegen. Ihr Körper war völlig starr. »Es ist eine Sünde«, murmelte sie. »Eine Sünde.«
Als er sie küßte, zitterten ihre Lippen unter seinen. Sie versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, aber gleichzeitig verlor ihr Körper die Starre. Sie nahm den Schocker von seiner Brust und hielt ihn seitwärts, als hätte sie Angst, er könne von selbst losgehen.
»Gib mir den Schocker«, sagte er. »Wir müssen beide die gleichen Rechte haben. Du mußt mir vertrauen. Anders geht es nicht.«
Wieder küßte er sie, und diesmal wehrte sie sich nicht. Aber Tränen strömten über ihre Wangen. Cargill trocknete sie mit seinen Küssen, dann griff er nach der Waffe und nahm sie ihr weg.
Nur einen Herzschlag lang erstarrte sie, doch dann überließ sie ihm den Schocker.
9.
Die Kontrolle über den Schweber versetzte ihn in die Lage zu tun, was er wollte, dachte Cargill. Aber was wollte er eigentlich? Die Wochen vergingen, und er konnte sich nicht schlüssig werden. Aus einem ihm unbekannten Grund war er in ein Komplott verwickelt worden. Verließ er die Sicherheit des Schiffes, würden die Verschwörer ihn zweifellos finden und ihn zwingen, nach ihrem Willen zu handeln.
Eines Tages drängte sich ihm jedoch eine Idee auf, der Beginn eines Vorhabens, das ihm keine Ruhe mehr ließ. Er setzte sich vor den Videoschirm im Kontrollraum. Er hatte sich schon des öfteren hier Übertragungen angesehen und sich mit dem Gerät vertraut gemacht, doch es – im Gegensatz zu jetzt – ohne festen Plan bedient.
So wie der Antrieb des Schwebers und andere Maschinerie befand sich auch das Videogerät in einem festen Gehäuse und machte es deshalb unmöglich, die inneren Teile zu studieren.
Cargill schaltete den Apparat ein. Er sah sich eine Zeitlang das Programm an, das im Augenblick aus einer Live-Music-Show bestand. Nach jeder Nummer lud der Ansager die Zuschauer mit geradezu beschwörender Stimme ein, nach Schattenstadt zu kommen und sich dort der Schattenausbildung zu unterziehen. Cargill, der sich nicht sonderlich für die Musik dieses Zeitalters interessierte, fand die Werbungen faszinierend, aber sie wiederholten sich in regelmäßigen Abständen, darum drehte er an den Knöpfen, um ein anderes Programm zu suchen. Bild und Ton, die er schließlich hereinbekam, gehörten jedoch offenbar nicht zu einer Sendung, sondern waren privater Natur. Einer der Bosse verhandelte mit einem Schweber über den Preis eines neuen Schiffes, das er soeben von den Schatten bekommen hatte. Cargill notierte sich den Namen des Mannes und Einzelheiten des Geschäfts und drehte weiter an den Knöpfen.
Das nächste Bild zeigte ihm das Innere eines Schwebers. Anscheinend war eine Videokamera versehentlich eingeschaltet worden. Da nur die Bosse Übertragungsgeräte besaßen, nahm Cargill an, daß er in den Kontrollraum eines ihrer Schiffe blickte. Aber niemand ließ sich sehen, obgleich er mehrere Minuten nicht umschaltete.
Auf dem dritten Kanal redete ein junger Bursche auf ein Mädchen ein. »Hab dich nicht so, Jenny. Du kannst doch deine Mama wirklich dazu überreden, daß sie ihren Schweber heute abend neben unserem parkt. Ich mag Mädchen nicht, die sich so zieren!«
Cargill schaltete noch auf mehrere private Übertragungen um, die ihn jedoch nicht interessierten. Für die Fernsehsendungen der Schatten war es zu früh. Nicht, daß sie ihm noch viel sagten. Er hatte sie schon so oft gesehen, und sie waren ohnehin im Prinzip fast immer gleich. Gewöhnlich zeigen sie die Ankunft von Zwischnern und Schwebern am
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