Der Zeitspieler
Der Aufprall war heftiger, als Cargill je erlebt hatte. Erschrocken rannte er in den Kontrollraum, um nach Lela zu sehen.
Sie saß mit bleichem Gesicht am Boden neben der Strahlenkanone und fluchte. »Diese Verbrecher haben unseren Antrieb beschädigt!«
Das erste Licht der Morgendämmerung drang durch die dicke Glaswand. Vom Kontrollraum aus beobachtete Cargill, wie es immer heller wurde. Rechts vom Schiff erstreckte sich das noch düstere Wasser des Sees, bis es sich am fernen Ufer im Nebel verlor.
Lela saß am Drehgeschütz und starrte durch die Scheiben. »Es ist hell genug«, murmelte sie. »Versuch jetzt noch einmal, ob du den Schweber hochbekommst.«
Es war die ganze Nacht ihre Hoffnung gewesen, daß das Morgenlicht dem Antrieb neues Leben verleihen würde. Aber die Hoffnung erstarb Minuten später, nachdem Cargill vergeblich versucht hatte, den Motor auch nur anzulassen.
»Warten wir, bis die Sonne aufgeht«, schlug Lela müde vor. »Vielleicht ...«
Cargill glaubte nicht an ein Wunder. »Hat dein Vater irgendwelchen Einfluß auf die Bosse?«
Das Mädchen zuckte die Schultern. »Carmean mag ihn.«
Cargill fragte sich insgeheim, was sie in ihm sah. Laut sagte er: »Vielleicht könnten wir herausfinden, was sie wollen, wenn wir mit ihnen reden.« Aus dem Gespräch zwischen Carmean und dem Schatten Grannis, das er damals vor etwa einem Monat belauscht hatte, war eigentlich gar nichts anderes zu schließen gewesen, als daß sie hinter ihm her waren.
»Ich halte es für das beste, wenn du deinen Vater über Radio bittest, hierherzukommen. Wir werden versuchen, sie uns vom Leib zu halten, bis er hier ist, und dann kannst du möglicherweise mit ihm zurückkehren.«
Lela wurde blaß. »Und was ist mit dir?«
Cargill antwortete nicht sofort. Ein vages, unbeschreibliches Gefühl, das ihm nur allzu vertraut war, machte sich in ihm breit. Es war die gleiche Art von etwas wie Benommenheit, die ihn in Vietnam eine feindliche Stellung unter gegnerischem Feuer hatte stürmen lassen. Mit diesem merkwürdigen Gefühl, einen dichten Schleier vor sich zu haben, was seine weitere Zukunft betraf, war er in jede Schlacht gegangen.
»Ich werde versuchen, mich davonzustehlen, sobald es dunkel wird«, erwiderte er schließlich. Er wollte weiter darauf eingehen, als sein Blick über Lela hinweg zum etwa dreißig Meter entfernten Rand der Lichtung streifte. Ein Schatten stand dort.
Lela mußte aus seinem Gesichtsausdruck erkannt haben, daß etwas nicht stimmte. Sie wirbelte herum. Der Schatten, der bisher reglos gestanden hatte, als beobachte er das Schiff, begann nun darauf zuzugehen.
Lelas Augen weiteten sich vor Angst. Mit zitternder Hand drehte sie die Strahlenkanone in seine Richtung. Ihr Gesicht war blutleer, und sie biß sich auf die Unterlippe. Zweimal legte sie den Zeigefinger auf den Auslöser, doch jedesmal zuckte sie zurück und schauderte. »Ich kann es nicht tun!« stieß sie hervor.
Der Schatten war jetzt höchstens noch fünfzehn Meter entfernt. Cargill zog das Mädchen vom Sitz und nahm ihren Platz ein. Er drückte auf den Knopf, und eine Flammenwand loderte ein paar Meter vor dem Schatten auf. Der achtete überhaupt nicht darauf. Unbeirrt schritt er weiter. Wieder feuerte Cargill. Die Flammen drangen durch den Schatten hindurch und setzten das Gras und ein paar Büsche hinter ihm in Brand. Noch zwei weitere Male zielte Cargill direkt auf die Schattengestalt – und jedesmal schien es, als befände sich, wo sie vage zu erkennen war, überhaupt nichts.
Und der Schatten kam immer näher.
Cargill hörte auf zu feuern. Er zitterte am ganzen Leib. Der erschreckende Gedanke ging ihm durch den Kopf: Wenn die Schattengestalt überhaupt nicht stofflich war und ihr die Strahlenenergie deshalb nichts anhaben konnte, würden dann Metallwände sie aufhalten können?
Der nächste Augenblick brachte ihm bereits die Antwort. Neben der Tür entstand eine verschwommene Bewegung, und eine Schwärze bildete sich. Lela schrie gellend auf.
Und dann stand der Schatten im Schiff.
10.
Cargill war sich vage bewußt, daß er von dem Geschützsitz zur Wand glitt. Allein die Tatsache, daß er sich bewegte, half ihm über den ersten Schock hinweg. Er blieb starr stehen. Er sah, daß die Schattengestalt ebenfalls angehalten hatte und ihn musterte. Einen flüchtigen Moment hatte er wieder dieses merkwürdige Gefühl, das nicht zu beschreiben war.
In dem Dämmerlicht des frühen Morgens, das durch die Glaswände
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