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Der Zeitspieler

Der Zeitspieler

Titel: Der Zeitspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. E. van Vogt
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drang, war der Schatten eine halbdurchsichtige, nebelhafte Gestalt. Und das war das Schlimme daran, es war tatsächlich eine Gestalt und nicht ein gasförmiges Etwas, das eigentlich zerfließen müßte. Nein, die Form war absolut menschenähnlich.
    Er entsann sich seiner früheren Überlegungen, was die Seele betraf, und fragte sich: ist sie das vielleicht, hier sichtbar gemacht? Aber das konnte er doch nicht so recht glauben. Eine Geisterscheinung, vielleicht. Aber selbst diese Annahme schien ihm an den Haaren herbeigezogen und unbefriedigend. Es war schwer, sich vorzustellen, daß diese – diese Erscheinung das sein sollte, was die Menschheit fünftausend Jahre lang zu einer geistigen Ekstase getrieben, was sie unter der Seele verstanden hatte.
    Sein Gedankengang wurde abrupt unterbrochen. Das unmögliche Wesen sagte: »So treffen wir uns wieder, Morton Cargill.«
    Das war aufschlußreich. Es mußte demnach derselbe Schatten sein, der mit Ann Reece gewesen war. Andere mochten ihn vielleicht beobachtet haben, während er schlief oder vielmehr bewußtlos gewesen war, aber zusammengekommen war er nur mit einem.
    Cargills Überlegungen endeten. Er hatte keine Zeit mehr, weitere anzustellen. Der Schatten kam wortlos auf ihn zu. Die nebelhafte Stofflichkeit hüllte Cargill ein.
    Diesmal hatte er nicht das Gefühl, daß Zeit vergangen wäre. Vor einer Sekunde war er noch mit Lela in dem Schweber. Und jetzt saß er in einem Sessel und blinzelte verwirrt um sich. Der Sessel stand in einem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer. In einer Wand war eine Digitaluhr eingelassen, die den 6. Mai, 21.24 anzeigte. Links von ihm war eine offene Tür, durch die er ein Bett sehen konnte.
    Die Wand ihm unmittelbar gegenüber bestand aus klarem Glas, und dahinter, an der entgegengesetzten Wand, saß da ein Mädchen in einem Sessel, der ein Gegenstück zu seinem war. Benommen schüttelte er den Kopf, es war alles so merkwürdig. Da erkannte er das Mädchen. Er zuckte zusammen.
    Es war die Frau, die sich als Marie Chanette ausgegeben hatte.
    Er war also wieder in dem gleichen Apartment wie bei seiner Ankunft im vierundzwanzigsten Jahrhundert. Und wenn die Uhr stimmte, war es sogar der gleiche Abend. Er zweifelte daran eigentlich gar nicht, trotzdem wollte er sich vergewissern. Er kritzelte auf einen Zettel und hielt ihn gegen die Trennscheibe. Wie lange sind Sie schon hier? hatte er darauf geschrieben.
    Etwa drei Stunden, war ihre Antwort.
    Obgleich er etwas Ähnliches erwartet hatte, dachte er daran, daß sie durchaus imstande war zu lügen und ihr böses Spielchen mit ihm zu treiben. Mehrere Male während der vergangenen Monate hatte er über die Nachfahrin Marie Chanettes nachgedacht und über ihre Bereitwilligkeit, ihn als Teil ihrer Therapie ermorden zu lassen.
    Seine Augen verengten sich, und er preßte seine Fingerspitzen gegen das glasähnliche Material der Trennscheibe. Auch die junge Frau war zeitlich versetzt worden, in seine Zeit und dann zurück hierher. Das machte sie zu etwas genauso Besonderem wie ihn. Wie war es möglich, dachte er, die Beständigkeit der Zeit zu umgehen? Es war eine Frage, die er sich schon unzählige Male gestellt hatte. Und die Antwort dazu mußte hier vor seinen eigenen Augen liegen. Wenn er nur die Sprache lesen könnte, in der sie geschrieben war – die Sprache der Raumzeit, der Wirklichkeit, des Energiefelds, das den Komplex des Lebens darstellte. Die Sprache der Ewigkeit, vielleicht?
    Cargill stöhnte innerlich. Er schloß die Augen und versuchte nachzudenken, genau in welchen Momenten seines eigenen Lebens es irgendwelche Manifestationen gegeben haben konnte, die sich jetzt als bedeutungsvoll herausstellen mochten. Die Augenblicke der Vagheit, natürlich, wie sie ihn jedesmal bei einer großen Gefahr befallen hatten. Es mußten Momente gewesen sein, während derer er tatsächlich durch die Zeit versetzt worden war. Aber es war unmöglich, sie zu analysieren. Einmal war er verwundet worden. Er erinnerte sich nur zu gut des Schocks, als die Kugel traf, und an die folgende Benommenheit und das Gefühl, weit weg zu sein.
    War es ein partieller Tod gewesen? Eine flüchtige Sekunde war er der Überzeugung gewesen, daß sein letztes Stündchen geschlagen hatte. Viele Sekunden lang war die Verbindung zwischen diesem Energiefeld – wenn es überhaupt existierte, wie er es sich vorstellte – und der physischen Struktur, die Morton Cargill war, gestört gewesen.
    Und dann war ihm plötzlich bewußt

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