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Der Zementgarten

Der Zementgarten

Titel: Der Zementgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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aus Plastik hätte sein können.
    »Ach?« sagte er höflich durch sein Lächeln. »Warum nicht?«
    »Er ist zu knallig«, sagte ich. Derek blickte auf seine Schuhe hinunter, und ich fuhr fort, »Ich meine die Farbe, ich mag rot nicht.«
    »Zu dumm«, sagte er, und sah dabei Sue, nicht mich an. »Magst du rot?« Sue schaute über Dereks Schulter in die Küche. »Ich? Oh, ich mag rot sehr, besonders an Autos.« Da er jetzt wieder mich ansah, wiederholte ich, »Ich mag rot an Autos nicht. Sie sehen dann aus wie Spielzeug.« Derek trat einen Schritt zurück, weg von uns beiden. Er hatte die Hände tief in den Taschen und wippte auf den Absätzen. Er sprach sehr ruhig. »Wenn du etwas älter bist, merkst du auch, daß sie nichts anderes sind als Spielzeug, teures Spielzeug.«
    »Warum Spielzeug?« sagte ich. »Zum Herumfahren sind sie sehr nützlich.« Er nickte und sah sich im Zimmer um.
    »Ihr habt große Zimmer«, sagte er zu Sue. »Es ist eigentlich ein großes Haus.« Sue sagte, »Mein Zimmer ist ganz klein.« Ich verschränkte die Arme und blieb hartnäckig.
    »Wenn Autos Spielzeug sind, ist alles, was man kauft, Spielzeug.« In diesem Augenblick kam Julie mit dem Eintopf herein, hinter ihr Tom, der einen Laib Brot und den Pfefferstreuer hereintrug.
    »Darüber muß ich bei Gelegenheit noch einmal nachdenken, Jack«, sagte Derek und drehte sich um, damit er Julie einen Stuhl aus dem Weg räumen konnte.
    Bevor wir uns setzten, bemerkte ich, daß Julie ihre neuen Stiefel, den Samtrock und die Seidenbluse anhatte. Sie und Derek saßen nebeneinander am Tisch. Ich saß an einer Ecke neben Tom. Ich war anfangs zu gereizt, um Hunger zu spüren. Als Julie mir einen vollen Teller reichte, sagte ich zu ihr, ich wollte nichts. Sie sagte, »Hab dich nicht«, stellte den Teller zwischen meinem Besteck hin und lächelte Derek zu. Er nickte, voller Verständnis für alles. Beim Essen bestritten Julie und Sue die ganze Unterhaltung. Derek saß vollkommen aufrecht da. Er breitete sich ein rot-blaues Taschentuch über den Schoß, und als er fertig war, tupfte er sich den Schnurrbart damit ab. Dann legte er es sorgfältig zusammen und steckte es wieder in die Tasche. Ich wollte sehen, wie sie sich berührten. Julie legte ihre Hand auf seine Armbeuge und wollte das Salz gereicht haben. Ich war noch vor Derek an dem Eierbecher, und wie ich ihn meiner Schwester hinknallte, ergoß sich das Salz über den ganzen Tisch.
    »Langsam«, sagte Derek leise. Die Mädchen begannen ein sprunghaftes Gespräch darüber, wie man sich Salz über die Schulter wirft und unter Leitern durchgeht. Einmal sah ich Derek Tom zublinzeln, der den Kopf senkte, bis seine Locken das Gesicht verbargen. Später führte Julie Derek in den Garten hinaus, und Sue und ich spülten ab. Ich stand dabei nur herum mit dem Geschirrtuch in der Hand. Wir sahen vom Küchenfenster aus zu. Julie deutete auf die kleinen Pfade und Stufen, die jetzt unter dem Gewirr von bräunlichem Unkraut fast nicht mehr zu sehen waren. Derek deutete auf die Wohnblocks und machte eine weite schwunghafte Bewegung mit dem Arm, als wollte er ihnen gebieten einzustürzen. Julie nickte ernst.
    Sue sagte, »Er hat wirklich breite Schultern, nicht? Sein Anzug muß nach Maß gemacht sein.« Wir starrten Dereks Rücken an. Sein Kopf war klein und rund, und sein Haar hatte überall dieselbe Länge, wie eine Bürste.
    »So stark ist der auch nicht«, sagte ich, »und er ist ganz schön doof.«
    Sue hob nasse Teller aus dem Becken und sah sich nach einer Stelle zum Ablegen um.
    »Der könnte dich mit dem kleinen Finger zusammenschlagen«, sagte sie.
    »Ha!« rief ich. »Das soll er mal probieren.«
    Etwas später setzten Julie und ihr Freund sich beim Steingarten. Sue nahm mir das Geschirrtuch ab und fing an, die Teller abzutrocknen. Sie sagte, »Wetten, daß du nicht rätst, was er macht«, und ich antwortete, »Ich scheiß drauf, was er macht.«
    »Das rätst du nie. Er ist ein Billardspieler.«
    »Na und?«
    »Er spielt um Geld, er ist unglaublich reich.« Ich schaute Derek noch einmal an und dachte darüber nach. Er saß seitlich zu mir und hörte Julie zu. Er hatte sich einen langen Grashalm herausgezogen, biß kleine Stücke davon ab und spuckte sie aus. Dabei nickte er die ganze Zeit zu dem, was Julie sagte, und als er schließlich antwortete, legte er ihr die Hand leicht auf die Schulter. Was er sagte, brachte Julie zum Lachen.
    »Und in der Zeitung stand auch was über ihn«, sagte Sue.
    »In welcher

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