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Der Zementgarten

Der Zementgarten

Titel: Der Zementgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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blauweißen Rock, der hinten mit einer Schleife zugebunden war. Aber seine Perücke war nicht da. Als ich mich neben ihn setzte, bemerkte ich kurz einen schwachen unangenehmen Geruch. Tom weinte. Er rieb sich die Augen mit den Knöcheln wie die kleinen Mädchen auf Keksdosen. Ein großer Striemen von grünem Rotz hing ihm aus einem Nasenloch, der nach oben verschwand, wenn er schniefte. Ich sah dabei eine Weile zu. Über dem Radiolärm glaubte ich noch andere Stimmen zu hören, aber ich war mir nicht sicher. Als ich Tom fragte, warum er weinte, weinte er noch lauter. Dann beruhigte er sich und jammerte, »Julie hat mich gehauen und mich angeschrien«, und fing wieder an zu weinen.
    Ich ließ ihn allein und ging hinunter. Das Radio war so laut, weil Julie und Derek sich stritten. Ich blieb kurz vor der Tür stehen und wollte zuhören. Derek schien Julie um etwas zu bitten, seine Stimme hatte einen weinerlichen Ton. Sie redeten beide, fast schreiend, als ich hereinkam und hörten beide augenblicklich auf. Derek lehnte am Tisch, die Hände in den Taschen, und mit übergeschlagenen Beinen. Er trug einen dunkelgrünen Anzug und eine Krawatte, die durch eine goldene Spange gebunden war. Julie stand am Fenster. Ich ging zwischen ihnen zum Radio und drehte es aus. Dann drehte ich mich um und wartete, daß einer von ihnen zu reden anfing. Ich fragte mich, warum sie nicht in den Garten hinausgingen, wenn sie sich anschreien wollten. Julie sagte, »Was willst du?« Sie war nicht in Schale wie Derek. Sie hatte Plastiksandalen und Jeans an, und das Hemd war unter den Brüsten verknotet. »Wollte nur sehen, was der ganze Lärm soll, und wer«, sagte ich mit einem Blick zu Derek, »Tom geschlagen hat.« Julie klopfte langsam mit dem Fuß auf den Boden, um klarzumachen, daß sie mich lossein wollte.
    Ich ging gemächlich zwischen ihnen durch, wobei ich den Absatz immer genau vor die Zehen stellte wie jemand, der eine Strecke ohne Metermaß ausmessen will. Derek räusperte sich sehr leise und zog an der Kette seine Uhr heraus. Ich sah ihm zu, wie er sie aufklappte, zumachte und wegsteckte. Ich hatte ihn nicht mehr gesehen seit seinem ersten Besuch bei uns vor einer Woche. Aber er hatte Julie jetzt schon einige Male mit seinem Wagen abgeholt. Ich hatte draußen seinen Motor und Julie den Gartenweg entlanglaufen gehört, aber ich schaute ihnen nie durchs Fenster zu wie Sue und Tom. Zwei- oder dreimal war Julie jetzt die ganze Nacht ausgeblieben. Sie sagte mir nie, wo sie hinging, aber sie erzählte es Sue. Am Morgen darauf saßen sie dann stundenlang in der Küche, redeten und tranken Tee. Vielleicht schrieb Sue das alles in ihr Buch, ohne daß Julie davon wußte.
    Plötzlich lächelte Derek mich an und sagte, »Wie geht’s dir denn, Jack?« Julie seufzte hörbar.
    »Laß das«, sagte sie zu ihm, und ich sagte sehr kühl, »Gut.«
    »Was treibst du so die ganze Zeit?«
    Ich sah Julie bei meiner Antwort an. »Nichts besonderes.« Ich sah, wie sie sich ärgerte, daß ich mit ihrem Derek sprach. Ich sagte, »Und du?« Derek schwieg, bevor er sprach, und seufzte dann. »Training. Ein paar kurze Spiele. Nichts Großes, weißt du.« Ich nickte. Derek und Julie starrten sich an. Ich schaute nacheinander zu ihnen hin und überlegte, was ich weiter sagen konnte. Ohne den Blick von Julie zu wenden, sagte Derek, »Selber schon mal gespielt?« Wäre sie nicht dagewesen, hätte ich ja gesagt. Ich hatte einmal zugeschaut, und kannte die Regeln. Ich sagte, »Nicht eigentlich.« Derek zog wieder seine Uhr.
    »Dann komm doch mit rüber und spiel eine Runde.« Julie ließ die verschränkten Arme sinken und ging schnell aus dem Zimmer. Sie seufzte leicht im Hinausgehen. Derek sah ihr nach und sagte, »Ich meine, hast du jetzt was vor?« Ich dachte scharf nach und sagte, »Soviel auch wieder nicht.« Derek stand auf und klopfte sich den Anzug ab. Seine Hände waren sehr klein und blaß. Er ging in die Diele, um sich vor dem Spiegel die Krawatte zu richten. Er rief über die Schulter, »Ihr solltet euch für hier draußen mal Licht besorgen.« Wir gingen zur Hintertür hinaus, und als wir durch die Küche gingen, sah ich, daß die Kellertür weit offen stand. Ich zögerte, wollte hinaufgehen und Julie deswegen fragen. Aber Derek schob die Tür mit dem Fuß ins Schloß und sagte, »Komm jetzt. Ich bin sowieso schon zu spät dran«, und wir gingen schnell durch den Gartenweg hinaus auf den niedrigen, roten Wagen zu.
    Ich war überrascht, wie langsam Derek

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