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Der Zementgarten

Der Zementgarten

Titel: Der Zementgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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fuhr. Er saß aufrecht im Sitz, und hielt das Lenkrad weit von sich weg mit Zeigefinger und Daumen fest, als wäre ihm die Berührung ekelhaft. Et sprach nicht mit mir. Auf dem Armaturenbrett waren zwei Reihen mit schwarzen Meßuhren, alle mit hin- und herzitternden weißen Zeigern. Ich beobachtete sie fast auf dem ganzen Weg. Keiner, außer denen auf der Uhr, bewegte sich wirklich vom Fleck. Wir fuhren eine Viertelstunde lang. Wir bogen von einer Hauptverkehrsstraße ab in eine enge Straße mit Gemüselagerhallen auf beiden Seiten. Hie und da lag verfaultes Gemüse aufgehäuft im Rinnstein. Ein Mann in einem zerknitterten Anzug stand auf dem Gehsteig und starrte uns ausdruckslos an. Er hatte fettiges Haar, und eine zusammengefaltete Zeitung steckte in seiner Jacke. Derek hielt neben ihm an, kletterte hinaus und ließ den Motor weiterlaufen. Hinter dem Mann gab es einen Durchgang. Als wir darauf zu und an dem Mann vorbeigingen, sagte Derek zu ihm, »Park den Wagen und komm dann nach drinnen.« Am Ende des Durchgangs war eine grüne Schwingtür. In ihre Farbe war »Oswalds Spielhalle« eingekratzt. Derek ging voran und hielt mit einem Finger die Tür für mich auf, ohne sich umzudrehen. Zwei Partien waren im Gang an den Tischen, die am weitesten weg von uns waren, doch fast alle Tische waren leer und dunkel. Ein Tisch in der Mitte der Halle stand ganz im Licht. Er schien heller als die andern zwei, und die grellbunten Kugeln waren für ein Spiel bereitgelegt. Jemand lehnte daran mit dem Rücken zu uns und rauchte eine Zigarette. In die Wand hinter uns war ein helles viereckiges Loch eingelassen, durch das uns ein alter Mann mit einem weißen Jackett ansah. Auf einem schmalen Bord vor ihm standen Tassen und Unterteller mit blauen Rändern, und eine Plastikschüssel mit einem Krapfen. Derek beugte sich hinunter, um mit dem Mann zu sprechen, und ich ging ein paar Schritte weiter zu einem der
    Tische hin. Ich las den Namen der Herstellerfirma und des Herkunftsortes auf einer Messingplatte, die an der Kante gerade hinter dem mittleren Loch angeschraubt war.
    Derek schnalzte mir mit der Zunge zu. Er hielt eine Tasse mit Tee in jeder Hand und winkte mir mit dem Kopf, ihm zu folgen. Mit dem Fuß stieß er eine Tür in derselben Wand auf. Neben der Tür bemerkte ich jetzt erst ein Fenster, in dem eine Scheibe fehlte. Eine Frau mit dicken Brillengläsern saß hinter einem Schreibtisch und schrieb in ein Kontobuch, auf der anderen Seite des winzigen Raums saß ein Mann in einem Sessel mit einer Zigarettenschachtel in der Hand. Vor Rauch konnte man nur schwer etwas erkennen. Eine einzige, schwache Lampe stand am Rand des Schreibtisches. Derek stellte die Teetassen bei der Lampe ab und tat so, als wolle er dem Mann einen Kinnhaken geben. Der Mann und die Frau machten viel Theater um Derek. Sie nannten ihn »Sohn«, aber er stellte sie mir vor als »Mr. und Mrs. O wie Oswald«.
    »Und das ist Julies Bruder«, sagte Derek, aber ohne ihnen meinen Namen zu nennen.
    Zum Hinsetzen gab es keinen Platz. Derek nahm sich eine Zigarette aus der Schachtel von Mr. O. Mrs. O strampelte mit den Beinen, machte ein winselndes Geräusch und hielt den Mund nach oben wie ein Vogelküken im Nest. Derek nahm sich noch eine Zigarette, steckte sie ihr in den Mund, und sie und Mr. O lachten. Mr. O machte eine Geste zu den Tischen hin.
    »Greg wartet schon fast eine Stunde draußen, Sohn.« Derek nickte. Er saß auf der Schreibtischkante und ich stand bei der Tür. Mrs. O fuchtelte Derek mit dem Finger ins Gesicht.
    »Ich kenne einen schlimmen Jungen!«
    Er rutschte etwas von ihr weg und griff nach seiner Tasse. Meine gab er mir nicht herüber. Mrs. O sagte vorsichtig, »Und gestern hast du auch nicht mehr vorbeigeschaut.«
    Mr. O zwinkerte mir zu und sagte, »Der hat noch mehr Eisen im Feuer.« Derek schlürfte seinen Tee und sagte nichts. Mr. O fuhr fort, »Aber eine ganze Menge Leute haben hier gewartet, ob du nicht auftauchst.«
    Derek nickte und sagte, »So? Dann ist’s ja gut.«
    Mrs. O sagte zu mir, »Er kommt hierher, seit er zwölf ist, und wir haben von ihm noch nie was für einen Tisch verlangt. Nicht wahr, Sohn?«
    Derek trank seinen Tee aus und stand auf. Er sagte zu M. O, »Queue bitte.« Mr. O stand auf und zog sich Pantoffeln an. Hinter ihm an der Wand war ein Gestell mit Billardstöcken, und in einer Ecke stand, mit einem Vorhängeschloß gesichert, ein langes, spitz zulaufendes Lederetui. Mr. O wischte sich die Hände an einem gelben

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