Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
kamen, Adua besetzt hätten. Papà sprang vom Stuhl auf und steckte ein Fähnchen auf die Landkarte.

    Als Michilino zu Professore Gorgerino kam, traf er ihn in Morgenmantel und Pantoffeln an.
    »Hast du von unserem großen Sieg gehört?«
    »Ja.«
      »Bist du auf spartanische und faschistische Weise stolz darauf?«
    »Gewiß.«
      »Dann feiern wir den Sieg heute auf spartanische Art«, sagte Gorgerino, zog den Morgenmantel aus und war nackt.
      Michilino, der inzwischen wußte, wie die Sache ablief, zog sich ebenfalls aus. Dann sagte er: »Professore, wissen Sie was? Er ist ganz steif geworden.«
    »Wann war das?«
      »Zuerst bewegte er sich ein bißchen, als ich Mussolini reden hörte, aber richtig steif wurde er, als Papà redete. Ich konnte nicht mal mehr gehen.«
      Gorgerino blieb nachdenklich stehen. Dann verließ er das Zimmer und kehrte mit einem Grammophon zurück, mit Kurbel und einer Schallplatte. Er zog das Grammophon auf, setzte eine Nadel ein und legte die Schallplatte auf den Teller. Michilino hörte Mussolinis Stimme: »Im Herzen Europas gibt es mit seiner Masse von fünfundsechzig Millionen Einwohnern …«
    Auf der Stelle wurde er steif und dann hart wie ein Pfahl.
      »… mit seiner Geschichte, seiner Kultur, seinen Bedürfnissen …«
    Gorgerino setzte sich hin und sperrte den Mund auf. »Du hast ja einen wie ein Mann.«
      »… das demokratische, freimaurerische Frankreich hat den Augenblick ausgenutzt, als das noch wehrlose oder fast wehrlose Deutschland …«
      Danach sagte Professore Gorgerino, daß sie das spartanische Fest beschließen sollten. Er ging ins Badezimmer und kehrte mit einer runden Dose zurück.
    »Was ist das?«
    »Vaseline.«
    »Was macht man damit?«
    »Das zeig ich dir jetzt.«
      Bäuchlings über den Rand des niedrigen Tisches gebeugt, erinnerte Michilino sich, daß ein Spartaner Schmerzen ertragen können muß, ohne zu weinen, ohne zu klagen.

    Am nächsten Tag sagte das Radio, daß der Völkerbund Wirtschaftssanktionen gegen Italien verhängt hatte. Papà erklärte Michilino, was das Wort Sanktionen bedeutete, und sagte: »Wir haben zweiundfünfzig Nationen gegen uns, Michilì! Zweiundfünfzig Nationen von Klugscheißern und Schnüfflern! Aber ihnen allen reißen wir …«
    »Giugiù!« unterbrach ihn Mamà.
      »Nun laß mich schon sagen, was ich sagen will, liebste Frau! Heute abend fühle ich in mir die Kraft eines Löwen!«
      »Ganz ehrlich?« fragte Mamà mit einem schelmischen Lächeln.
      »Willst du etwa Krieg mit mir führen?« fragte Papà ebenfalls schelmisch.
    Krieg führten sie dann wirklich in der Nacht. Michilino konnte überhaupt kein Auge zumachen, sei es, weil das Kopfende des Bettes an die Wand schlug, sei es, weil Mamà klagte, sei es, weil seine spartanische Stelle brannte, obwohl er sie auf Gorgerinos Rat hin in frischem Wasser gekühlt hatte.
      Mamà und Papà sprachen darüber, wie sie das Fest für Michilinos Kommunion vorbereiten sollten. Papà sagte zu Mamà, er sei nicht der Meinung, das Fest nur den engen und fernen Verwandten vorzubehalten, er erinnerte sie daran, daß er, weil er doch Politischer Sekretär geworden war, jetzt auch Repräsentationspflichten habe. Sie kamen überein, daß sie den Festsaal des Café Castiglione mieten wollten. Mamà ließ die Einladungen in der Druckerei drucken und verschickte sie. Michilino wurde zum Schneider Cumella gebracht, der ein Faschist der »ersten Stunde« war, wie er allen erzählte, und nicht ein so elender Hund wie Maraventano. Cumella begann mit dem Maßnehmen, während Mamà den Stoff für den Anzug aussuchte. Plötzlich hielt der Schneider inne und blickte auf Michilinos untere Körperhälfte.
    »Das ist aber doch …!«
      Wie war es nur möglich, daß sich alle wunderten, sobald ihr Blick darauf fiel?
      »Signora, Sie wollen mich bitte entschuldigen, aber ich habe da ein kleines Problem«, sagte der Schneider.
    »Was ist denn?«
      »Schauen Sie doch bitte einmal her, Signora. Ich dachte, den Anzug so wie für alle Jungen zuzuschneiden, aber hier muß wie für einen Erwachsenen zugeschnitten werden.«
    »Und wieso?«
      »Was heißt wieso? Signora, ist Ihnen denn die … na, nennen wir es mal ›Ausstattung‹ Ihres Sohnes nicht bewußt? Soll er es rechts oder links tragen?«
    Mamà errötete ein bißchen.
      »Links«, entschied sie, denn sie dachte daran, wo alle Männer, die sie kennengelernt hatte, es trugen.

    Am Abend vor der Kommunion

Weitere Kostenlose Bücher