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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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und öffnete, denn es war Mittwoch, einer der beiden Tage, an denen die Haushaltshilfe Lucia, eine dicke, humpelnde, knüselige, sechzigjährige und immer sauertöpfische Person, nicht da war. Freitags war der andere Tag, an dem sie nicht kam. An der Tür präsentierte sich die Witwe Clementina Sucato, die, welche die Frau des Politischen Sekretärs vor Papà war. Sie hatte ein rosiges, lächelndes Gesicht und streichelte ihm über den Kopf.
    »Ist deine Mamà da?«
    »Nein. Aber sie kommt bald wieder zurück.«
      »Dann würde ich wohl auf sie warten. Läßt du mich eintreten?«
      »Gewiß«, sagte Michilino wohlerzogen und ließ sie im Wohnzimmer Platz nehmen.
      Signora Clementina setzte sich in einen Sessel, holte aus ihrer Handtasche einen Fächer hervor, öffnete ihn und begann zu fächeln.
    »Heilige Jungfrau! Wie heiß es noch immer ist«, stöhnte sie.
      Es war zwar nicht sonderlich heiß, doch Signora Clementina war füllig und spürte die Hitze daher mehr als andere.
      »Ich gehe wieder an meine Hausaufgaben zurück«, sagte Michilino.
    »Geh nur, geh.«
    Nach einer Weile hörte er, daß sie ihn rief.
    »Michilino! Bringst du mir ein Glas Wasser?«
    »Sofort.«
      Er stand auf, ging in die Küche, füllte ein Glas am Wasserhahn, ging ins Wohnzimmer und blieb wie angewurzelt stehen, und zwar so angewurzelt, daß das halbe Glas auf seine Hose schwappte und sie durchnäßte, genau wie es Mamà passiert war, als sie in der Sakristei bei Padre Burruano gewesen war. Der Grund war, daß die Witwe sich den Rock und den Unterrock bis zum Bauch hochgezogen hatte und die schneeweißen fetten Schenkel zeigte. Man konnte sogar den schwarzen Schlüpfer sehen. Kaum war er eingetreten, fuhr Signora Clementina zusammen und zog die Kleider hastig herunter.
    »Ich habe dich gar nicht kommen hören.«
    Und danach: »Du hast dich ja naß gemacht!«
    »Nichts weiter, ich ziehe mich gleich um.«
      Während Signora Clementina trank, fiel ihr Blick auf den nassen Fleck. Sie beugte sich vor, um besser zu sehen.
    »Was hast du denn in der Tasche?«
    »Nichts.«
    Ach, immer dieses Theater! Immer die gleiche Frage!
    »Komm mal her.«
    Signora Clementina betastete den Fleck.
    »Heilige Muttergottes«, sagte sie mit halb geöffnetem Mund.
    »Ich geh' mich jetzt umziehen.«
      Er hatte gerade den Schrank geöffnet, in dem seine Sachen waren, als in der Schlafzimmertür die Witwe Sucato auftauchte. Sie war's, die ihm die Hose und die Unterhose auszog. Stumm betrachtete sie ihn.
    »Ich trockne dich besser ab«, sagte sie dann.
    Mit einem Handtuch kehrte sie aus dem Badezimmer zurück und wischte damit über die nassen Stellen. Hin und wieder sagte
    sie flüsternd: »Heilige Muttergottes! Heilige Muttergottes!«
    Und sie schwitzte, die Witwe Sucato. Immer wieder fuhr sie
    mit dem Handtuch über dieselbe Stelle. Endlich zog sie ihm die trockenen Sachen an. Als Mamà zurückkam, fand sie die Witwe im Wohnzimmer vor und Michilino, der an seinen Hausaufgaben saß.

    Zum Mittagessen brachte Mamà ein bestimmtes Thema Papà gegenüber zur Sprache.
      »Giugiù, ich bin überzeugt, daß Lucia, die Haushaltshilfe, stiehlt.«
    »Bist du dir da sicher?«
      »Todsicher. Schon seit einiger Zeit hatte ich bemerkt, daß mal ein Teil vom Besteck, mal ein Deckchen verschwindet, und da habe ich gestern, nach dem Mittagessen, zum Beweis fünfzig Lire auf der Anrichte liegen gelassen. Abends waren sie dann weg.«
    »Hast du sie genommen, Michilì?« fragte Papà.
    »Ich tu so was nicht.«
      »Heute morgen habe ich auch unter der Anrichte gesucht. Aber nichts. Was soll ich machen, Giugiù?«
      »Was willst du schon machen? Morgen, wenn sie kommt, sagst du ihr, du brauchst sie nicht mehr.«
      »Ist sie schon humpelnd geboren worden?« drängte sich Michilino dazwischen.
    »Ja«, sagte Mamà. »Das hat sie mir selbst erzählt.«
      »Wieso hat man sie dann nicht gleich von einem Felsen gestoßen, wie die Spartaner es mit hinkenden Kindern gemacht haben?«
    Papà und Mamà sahen sich sprachlos an. Als erster erholte Papà sich von dieser Frage.
    »Das hat man nicht getan, weil wir keine Spartaner sind.«
      »Aber wir sind doch Faschisten«, erwiderte Michilino. »Und die Faschisten sind genauso wie die Spartaner.«
    »Wer erzählt dir solche Dinge?«
    »Professore Gorgerino.«
      Papà sah ihn nachdenklich an. »Heute muß ich rasch weg, aber an einem dieser Tage unterhalten wir uns über das, was Gorgerino dir so

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