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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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sollen?«
      Was zwischen ihm und dem Kommunisten vorgefallen war, war Männersache, und die mußte von Mann zu Mann geregelt werden.
      »Das heißt also, man hat ihn entlassen. Aber in zwei, drei Tagen ist er sowieso wieder drin.«
      Und dann fragte er, allerdings ohne bemerkenswertes Interesse: »Wie kommst du mit Gorgerino aus?«
    »Gut. Er erklärt mir gerade die Spartaner.«
    »Und wer sind die, diese Spartaner?« fragte Mamà.
      »Ein großes, mutiges, kriegerisches Volk«, sagte Papà. »Würde doch auch Mussolini uns alle zu Spartanern machen!«
      Was für ein tüchtiger Lehrer Gorgerino doch ist! dachte Michilino zufrieden.

    Inzwischen ging er auch alleine zur Kirche, um die Dinge mit Gott zu lernen. Als er an diesem Tag aus der Haustür trat, bemerkte er, daß man bunte Plakate an die Häuserwände geklebt hatte, und die waren alle gleich. Er blieb vor einem stehen und las. Unter einem großen Liktorenbündel stand geschrieben:

    Heilige Jungfrau, Papà! Papà, der so etwas wie ein spartanischer Unterführer von Mussolini geworden war! Er, Michilino, würde zu dieser Veranstaltung gehen, selbst wenn er von zu Hause weglaufen mußte und sich eine gehörige Tracht Prügel von Mamà einhandeln würde.
      »Wieso ist morgen die Veranstaltung?« fragte er Padre Burruano, kaum daß er in die Sakristei getreten war.
      »Weil morgen Seine Exzellenz Benito Mussolini, der Chef der Regierung, den Abessiniern den Krieg erklärt.«
      »Evviva! Evviva!« riefen die anderen Jungs und klatschten in die Hände.
      »Und ich will euch heute erklären, warum es ungerechte, falsche Kriege gibt und warum gerechte und mit Gottes Segen geheiligte Kriege. Der, den wir morgen mit Abessinien anfangen, ist ein gerechter und mit Gottes Segen geheiligter Krieg. Ihr dürft niemals vergessen, daß unser Heiliger Vater, der Papst, gesagt hat, Mussolini sei der Mann der Vorsehung. Das wird er auch für die Abessinier sein, die dann endlich von Wilden zu zivilisierten Menschen werden.«
      »Stimmt es, daß die Bissinier auch Kannibalen sind?« fragte Tatazio, der Sohn eines Karrenkutschers, der viel Erfahrung hatte.
    »Was sind das denn, die Karriballer?« fragte ein kleiner Junge.
      »Ein Kannibale«, erklärte Padre Burruano, »ist ein Wilder, der Menschenfleisch frißt. Durchaus möglich, daß es unter den abessinischen Stämmen auch Kannibalen gibt.«
      »Dann werden die, wenn die einen unserer Soldaten gefangennehmen, den auffressen?« fragte ein anderer besorgt.
    Ein Junge fing verzweifelt an zu weinen.
    »Was ist denn?« wollte Padre Burruano wissen.
    »Mein Kusäng Gnaziu ist Soldat in Afrika. Und ich will nicht,
    daß sie ihn auffressen«, sagte der Kleine und heulte weiter.

    Um drei Uhr am nächsten Tag zog Papà die faschistische Uniform mit dem schwarzen Hemd an, die Lederstiefel, das Barett mit dem Plömmel, auch Fez genannt. Er war groß, schön, elegant und stark. Mamà hörte gar nicht mehr auf, ihn zu umarmen und zu küssen. Dann ging Papà weg und Mamà zog ebenfalls eine Uniform an, mit weißer Bluse und schwarzem plissiertem Rock. Heilige Madonna, war Mamà schön! Manchmal, wenn sie gemeinsam durch die Straße gingen, sahen die Männer sie an, doch Mamà blickte immer zur Erde, und wenn jemand sie dann grüßte, erwiderte Mamà immer angemessen und neigte nur ganz wenig den Kopf. Auch Michilino wurde eine Uniform angezogen, und über der Schulter trug er den Karabiner. Dann sagte Mamà: »Die Rede von Mussolini hören wir uns hier an, an unserem Radio. Hinterher gehen wir zu Papà, wenn er spricht.«
      Michilino war ganz verzaubert von der Art, wie Mussolini redete. Was für eine Stimme der hatte! Was für eine Kraft! So hatten wohl auch die spartanischen Führer einst geredet! Irgendwann sagte Mussolini: »Auf militärische Sanktionen antworten wir mit militärischen Maßnahmen. Auf Kriegshandlungen antworten wir mit Kriegshandlungen.«
      In diesem Augenblick spürte Michilino eine Hitzewallung zwischen seinen Beinen.
      Er dachte, daß er aufgrund des Gefühlssturms in die Hose gepullert hätte, doch als er mit der Hand über die Hose fuhr, merkte er, daß sie trocken war.
    Auf dem Rathausplatz waren die Menschen dicht an dicht versammelt, Männer, Frauen, Alte und Kinder. Vor einer hölzernen Tribüne standen zwei Carabinieri in Uniform mit einem Federbusch am Zweispitz. Ein Polizist erkannte Mamà: »Macht den Weg frei für Signora Sterlini!«
      Er begleitete sie beide

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