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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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begann ein richtiger Kampf zwischen Balillas und Bissiniern, während die Blaskapelle spielte Tutti mi chiamano, tutti mi vogliono, Figaro qua, Figaro là.
      Im Kampf mit bloßen Händen hörte man gelegentlich schreien: »Du hast mir weh getan, du Gehörnter!«
    »Und ich reiß' dir den Arsch auf!«
    Am Ende blieben von den Bissiniern nur der Ras und Alfio Maraventano am Leben, die sich im Fort in Sicherheit brachten, das von Balillas umstellt war. An dieser Stelle betraten Michilino und Tanio Pizzicato das Fort. Michilino stellte sich dem Kampf mit Alfio, während Pizzicato mit dem Ras kämpfte. Die Leute feuerten die beiden Balillas an: »Bringt sie um! Macht Hackfleisch aus ihnen!«
      Während Alfio mit Michilino zugange war, senkte er die rechte Hand, packte ihn an den Eiern und drückte so fest zu, wie es nur ging. Michilino fiel auf die Erde und krümmte sich, der Atem stockte ihm. Aber andere Balillas kamen zur Verstärkung, die beiden Bissinier ergaben sich, der Baliila Spampinato Benito kletterte auf das Türmchen und hißte die italienische Flagge. Die Blaskapelle spielte Salve o popolo d'eroi, Ge grüßet seist du, Volk von Helden, und die Vorstellung endete in einem rauschenden Beifall.
      Der Vater des Gefallenen Balduzzo Cucurullo (die Mutter hatte nicht herkommen wollen) wurde vor Scarpin geführt, der ihn stolz fragte: »Wie war Ihr Eindruck?«
      »Da habt ihr verdammt auf die Kacke gehauen«, sagte Signor Cucurullo.
      Während alle Scarpin beglückwünschten, näherte sich auch Signor Maraventano, der kommunistische Schneider.
      »Na ja«, sagte er zu Scarpin, »wäre es nicht besser gewesen, wenn es nur vier oder fünf Balillas gegeben hätte? Aber so, achtzehn Soldaten mit Kanonen, Maschinengewehren und Gewehren gegen zehn armselige mit Pfeilen und Wurfspießen Bewaffnete, das ist mir nicht besonders großartig vorgekommen. Auf mich hat's eher den Eindruck eines feigen Unternehmens als eines Kampfes gemacht.«
    Noch am selben Abend wurde er verhaftet.

    Ebenfalls an diesem Abend dachte Michilino noch einmal über alles nach, was geschehen war, und traf eine genaue, klare und unerschütterliche Entscheidung: Er würde Alfio Maraventano töten.

Vier

    Die ganze Nacht über blieb er wach. Mamà kam auch und legte sich hin, nachdem sie am Radio Canzonetten gehört hatte. Etwa zwei Stunden später hörte er, daß Papà die Haustür aufschloß und sich im Bad zu schaffen machte. Er hatte eine lange Versammlung mit anderen Faschisten gehabt. Papà legte sich hin und versuchte dabei keinen Lärm zu machen. Nach einer Weile hörte Michilino, wie Mamà schläfrig sagte:
    »Nein, Giugiù, nein. Laß mich schlafen. Ich hab Kopfweh.«
      Es war deutlich, daß Mamà keine Lust hatte zu kämpfen. Nach fünf Minuten fing Papà an zu schnarchen. Besser so, denn er mußte in Ruhe nachdenken und ein großes Problem lösen, das darin bestand, daß eines der Zehn Gebote klar und deutlich sagte, du sollst nicht töten. Und wenn er Alfio Maraventano tötete, würde er eine Sünde begehen, und die Nägel im Fleische des lieben Herrn Jesus würden noch tiefer eindringen. Was war nun die richtige Wahl? Jesus leiden zu lassen oder Maraventano zu töten? Gab es keine Lösung, eine Möglichkeit, Maraventano auszulöschen, ohne Jesus weinen zu lassen? Ganz sicher gab es eine, nur war er zu klein, um sie zu finden. Das erforderte jemanden mit Erfahrung. Er stand ganz langsam auf und kniete sich am Fußende des Bettes hin. Er betete.
      »O heiliges Jesulein! O Jesulein, mein süßes Blut! Finde du den Weg, mich wissen zu lassen, wie ich den Maraventano töten kann, ohne dir Leiden zu verursachen! Erweise mir diese Gnade, vielanbetungswürdiges Jesulein!«
    Und das vielanbetungswürdige Jesulein fand eine Lösung für ihn. In jenen Tagen war Papà übelgelaunt. Tatsache war, daß auf die Landkarte von Abessinien schon seit langem keine Stecknadeln mit der italienischen Flagge mehr gesteckt worden waren. Nach der Eroberung von Makallé rückten unsere ruhmreichen Truppen keinen Schritt mehr vorwärts.
      »Was für einen Scheiß veranstaltet dieser De Bono eigentlich?« fragte sich Papà. »Was soll das? Da warst du in der Lage, den Marsch auf Rom zu machen, aber nicht, den Marsch auf Addis Abeba hinzukriegen, gegen vier Stinksäcke von Negern!«
      Da gesellte sich ja eine Herrlichkeit zur anderen. Papàs schlechte Laune platzte sonntags heraus, während er, nach dem Mittagessen, seinen Mokka trank und

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