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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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zu machen, was er tut.«
    »Er erzählt Lügen?« fragte Michilino erstaunt.
      Ein Geistlicher, ein Held, ein Kämpfer von Makallé, ein Chef der Soldaten des Duce und Christi, der Lügen erzählt! Das war doch unmöglich! Padre Burruano dachte Böses.
      »Nicht genau Lügen, nein, das wäre ja eine Sünde, und ein Geistlicher begeht niemals Sünden«, erklärte Mamà ihm, »aber er stellt die Dinge etwas übertrieben dar, was keine Sünde ist. Jetzt hör mir zu, Michilì. Du mußt mir etwas versprechen, du mußt es mir schwören und dein Versprechen halten.«
    »Sicher, Mamà.«
      »Du darfst Papà nichts von dem erzählen, was mir passiert ist, als ich mich so elend fühlte. Denn dann würde sich der arme Papà ziemliche Sorgen machen. Und bei allem, was er um die Ohren hat, will ich seine Sorgen nicht noch verschlimmern.«
    »Das schwöre ich dir.«

    Ein paar Tage darauf, es war Sonntag und sie aßen Pasta mit einer Tomaten-Käse-Sauce, sagte Papà: »Gestern abend ist Alfio Maraventano gestorben, der Sohn des Kommunisten.«
      Michilino blieb die Pasta im Hals stecken, er fing an zu husten, doch in seiner Brust hörte er statt des Hustens das Läuten von Glocken. Ding-dong-dang! Ding-dong-dang! Sie läuteten das Gloria! Sie läuteten, als wäre es das heilige Osterfest! Er mußte sich am Riemen reißen, daß er nicht noch anfing zu singen.
    »Der Arme«, sagte Mamà.
    »Er hat Tetanus bekommen«, erklärte Papà.
    »Was ist Tetanus?« fragte Michilino.
      »Tetanus ist eine tödliche Infektion, die kommt, wenn einer sich mit etwas Rostigem verwundet«, erklärte Papà. »Das heißt, daß der spitze Gegenstand, der ihn verwundet hat, rostig war.«
      Michilino dachte daran, daß das Bajonett in der Tat Rost angesetzt hatte, seit er es in der kleinen Kammer aufbewahrte, die ziemlich feucht war. Jedenfalls hatte der liebe Herr Jesus, wenn es ihm, Michilino, schon nicht gelungen war, Alfio auf Anhieb zu töten, ihm eine Hand gereicht und Alfio an einer Infektion sterben lassen.
    »Sein Vater, der Schneider, wird des vorsätzlichen Mordes
    beschuldigt«, fügte Papà hinzu. »Der wird dem Erschießungskommando jedenfalls nicht entgehen.«
      Heh, zwei! Er hatte es geschafft! Zwei Kommunisten in einem Streich! Welcher andere Soldat Jesu und des Duce wäre zu so einem Unternehmen in der Lage gewesen!
    »Heilige Jungfrau Maria, wie entsetzlich«, sagte Mamà.
    »Aber warum hat sein Vater ihn umgebracht?«
    »Ich hab's dir ja schon gesagt, Ernestí, diese Kommunisten sind Wirrköpfe. Nach der Meinung von Commissario Zammuto hat der Schneider ihn umgebracht, weil er nicht wollte, daß sein Sohn zum faschistischen Samstag ging. Er ertrug ihn nicht zu Hause, wenn er wie ein Balilla angezogen war. Wohingegen es dem armen Alfio einigermaßen gefiel, er war ein echter Faschist. So wenigstens erklärt Commissario Zammuto die Sache.«
    »Aber woher denn!« sagte Michilino.
      Bumm! Jetzt kam das Ritornell heraus, daß er einen Balilla getötet hatte! Commissario Zammuto war doch ein Trottel, der überhaupt nichts verstand.
    »Wieso sagst du so was?« fragte Papà.
      »Da braucht man doch nur den Kommandeur Scarpin zu fragen. Alfio erschien lediglich jeden zweiten Samstag und wollte nie die Leibesertüchtigung mitmachen. Fragt ihn doch. Der Kommandeur hat ihn getadelt, weil er lustlos war und niemals den römischen Gruß machte. Von wegen Faschist! Der war doch dabei, ein Kommunist zu werden wie sein Vater!«
    Papà sah ihn verwundert an.
      »Tüchtig, mein Söhnchen! Weißt du, daß wir daran gedacht haben, Alfio ein faschistisches Begräbnis zu bereiten? Da hätten wir einen großen Fehler gemacht. Noch heute spreche ich mit Scarpin. Aber ich bin überzeugt, daß du recht hast. Tüchtig!«
      »Aber weshalb hat er ihn dann umgebracht?« fragte Mamà nachdenklich. »Hat Alfio vor seinem Tod noch etwas sagen können?«
      »Ja, aber er sagte, er wäre alleine in der Schneiderei gewesen, er hätte gelernt, und weil er mit dem Rücken zur Tür gesessen hat, hätte er nicht sehen können, daß jemand reinkam. Er erinnerte sich auch nicht an den Stoß des Messers in den Hals. Ach, und wißt ihr was? Alfio starb lachend.«
    »Was heißt lachend«, fragte Mamà entgeistert und verblüfft.
      »Ja, ja, ja. Man hat mir gesagt, Tetanus würde die Gesichtsmuskeln anspannen, daher kommt es, daß einer, wenn er stirbt, aussieht, als würde er lachen.«
    Lach nur, lach nur, Alfio Maraventano. Schließlich bist

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