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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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du jetzt ein stinkender Kadaver.
      Am folgenden Donnerstag hatte Mamà Geburtstag, sie wurde sechsundzwanzig. Sie war zehn Jahre jünger als Papà. In der Nacht zuvor hatte Michilino sie aufgeregt miteinander reden hören, aber mit so leisen Stimmen, daß er gar nichts hatte verstehen können. Doch wachten sie beide zufrieden auf, Mamà tat im Badezimmer nichts anderes als singen. Um zehn Uhr kam Nonno Aitano und lud sie alle in seinen Lancia Astura, um sie mit aufs Land zu nehmen, wo Nonna Maddalena der Himmel weiß was vorbereitet hatte. Alle Verwandten waren da, die anderen Großeltern, die Tanten und Onkel, die Cousinen und Cousins, an die vierzig Personen. Mit dem gebratenen Zicklein im Rohr mit Kartoffeln, das bei solchen Gelegenheiten gewohnheitsmäßig immer der Hauptgang war, wurden diesmal zwei Seezungen für jeden serviert, und die waren so groß, daß sie über dem Tellerrand hingen. Als die Cassata gebracht wurde, stand Papà auf und sagte, er müsse der Verwandtschaft etwas Wichtiges mitteilen. Michilino sah seinen Vater sprachlos an, denn keiner, weder Papà noch Mamà, hatte ihm etwas über dieses Wichtige erzählt. Er fühlte sich ein bißchen übergangen und war beleidigt.
      »Liebe Verwandtschaft«, begann Papà. »Ich muß euch etwas sagen, das euch sicher freuen wird. Diese Nacht hat meine Frau Ernestina mir etwas enthüllt, worauf ich seit fünf Jahren gewartet habe.«
      Alle sahen Mamà an, die roter wurde als wenn sie mit Padre Burruano zusammen war, und ihr Gesicht mit der Hand verbarg.
    »Ernestina ist guter Hoffnung.«
      Ein Klatschen brach los, ein Lachen, der eine und andere stand auf, um Mamà zu umarmen, doch wurden sie von Papà aufgehalten.
    »Ich bitte euch, Küsse und Umarmungen hinterher. Ernestí hat sich, um sicher zu sein, noch einmal von der Hebamme untersuchen lassen, und die hat's bestätigt. Meine Frau ist guter Hoffnung. Das ist sicher. Und weil das kleine Geschöpf in den Tagen der Eroberung von Makallé empfangen worden ist …«
      Wieder loderte Mamà auf, einer der Verwandten rief: »Es lebe das italienische Abessinien!«
    Und ein anderer folgte ihm mit dem Ruf: »Es lebe der Duce!«
    »Sie leben hoch!« riefen alle im Chor.
      »Und ganz gleich, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, wir haben beschlossen, daß sein zweiter Name Makallé sein soll.«
      Während Nonna Maddalena mit Spumante ankam, stand Michilino vom Tisch auf und entfernte sich hinter das Haus. Er fühlte sich wegen der Überraschung, die er hatte erleben müssen, wirklich beleidigt. Papà und Mamà hätten die Nachricht ihm als erstem verkünden müssen und ihn rechtzeitig fragen sollen, ob er ein Brüderchen oder ein Schwesterchen haben wollte. Aber so, vor vollendete Tatsachen gestellt, blieb ihm ja nichts anderes, als zu akzeptieren und nichts über die erlittene Schmach zu sagen. Er merkte, wie er von einer Art Melancholie ergriffen wurde: Ganz sicher würde sich sein Leben, wenn das kleine Wesen erst einmal geboren war, notwendigerweise verändern.
    »Michilino«, sagte jemand in der Nähe halblaut.
      Wer rief ihn da? Er empfand es als unangenehm, weil er Lust hatte, alleine zu sein. Doch das Gefühl der Unannehmlichkeit verschwand auf der Stelle, als er sah, daß es seine Cousine Marietta war, die er sicher schon einige Monate nicht mehr gesehen hatte. Marietta stand an einen Baum gelehnt und hielt in der Hand ein paar Sauerampferblätter.
      Wie schön sie geworden war! Sie war schlanker geworden und größer, die Haare trug sie jetzt offen über der Schulter. Als sie vor ihm stand, umarmte sie ihn ganz fest.
    »Wieso bist du nicht bei den anderen?« fragte Michilino.
    »Und du?«
    »Weil ich melancholisch geworden bin.«
    »Ich auch.«
    Sie setzten sich auf die Erde und umarmten sich noch einmal.
      »Tut's dir leid, daß deine Mutter schwanger ist?« fragte die Cousine.
      »Ja. Ich will Einzelkind bleiben. Wenn Makallé nicht erobert worden wäre, hätte es sein können, daß ich Einzelkind geblieben wäre.«
      »Die Eroberung von Makallé hat auch mich ganz fertiggemacht«, sagte Marietta.
    Und sie begann zu weinen. Michilino drückte sie fester.
    »Wieso? Was haben dir die Bissinier getan?«
      »Michilì, es ist ein Geheimnis, das ich nur dir sage. Die Bissinier haben meinen Verlobten bei der Eroberung von Makallé getötet.«
      Michilino löste sich von seiner Cousine und sah sie voller Bewunderung an.
      »Du? Du warst mit dem Elite-Schwarzhemd

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