Der zerbrochene Himmel
Balduzzo Cucurullo verlobt?«
»Ja. Aber das wußte keiner.«
Und sie weinte wieder, diesmal ganz furchtbar. Michilino erschrak, nie hatte er sie so gesehen. Er umarmte sie wieder und begann, sie auf ihre Haare zu küssen.
»Erzählst du mir, wie ihr euch verlobt habt?«
Marietta nickte, sie konnte nicht sprechen. Michilino hielt sie eng umarmt und küßte sie. Was für einen guten Duft sie verströmte! Die Cousine schien sich ein bißchen zu beruhigen und fing an zu erzählen.
»Du mußt wissen …«
Und in diesem Augenblick sahen sie Onkel Gesuardo auftauchen, gemeinsam mit seinem Sohn Birtino, der fünfzehn war, fade und unsympathisch. Sie mußten beide ein Bedürfnis verrichten.
»Sobald sich die Gelegenheit bietet, erzähl' ich's dir«, sagte Marietta beim Aufstehen. »Jetzt ist nicht der richtige Augenblick.«
Das kleine Fest dauerte den ganzen Tag. Nonno Aitano begleitete sie zurück nach Hause, als es neun war. Müde und mit schweren Bäuchen nahmen Papà und Mamà eine Messerspitze Natron ein, um besser verdauen zu können, und beschlossen, eine halbe Stunde lang Radio zu hören und dann zu Bett zu gehen.
»Ich lege mich jetzt schon hin«, sagte Michilino.
»Bist du müde?« fragte Mamà.
»Nein.«
»Du kommst mir verbiestert vor«, meinte Papà.
»Nein.«
»Aber eigentlich bist du's«, sagte Mamà. »Und ich weiß auch den Grund dafür.«
»Ach ja? Und welchen?«
»Du bist beleidigt, weil wir dir nicht zuerst und alleine erzählt haben, daß ich guter Hoffnung bin, daß ich schwanger bin. Ist es nicht so?«
»Ja.«
Papà und Mamà sahen sich an. Diesmal redete Papà.
»Ich war's, der deiner Mutter gesagt hat, sie soll es dir nicht alleine sagen. Ich wollte wissen, wie du's aufnimmst, wenn du's erfährst wie alle anderen. Und du hast nicht richtig reagiert, du hast dich beleidigt gefühlt. Ich wollte dir beibringen zu verstehen, und zwar vom Glück der Eltern bis zur Mitteilung, wie wichtig heute, in der Zeit des Faschismus, eine Geburt ist. Hast du nicht gesehen, wie zufrieden alle waren? Ein Junge ist heutzutage keine private Angelegenheit mehr, sondern er gehört allen, dem Vaterlande, Mussolini, dem König, allen, er ist in erster Linie ein Baliila Italiens und dann erst dein Bruder.«
»Und wenn's ein Mädchen wird?«
»Ich hoffe, es wird ein Junge wie du. Wenn's aber ein Mädchen wird, na, was soll's, dann bedeutet das, daß sie eine Kleine Italienerin wird.«
Michilino brauchte lange, bis er einschlief. Er dachte immer wieder über die Worte seines Vaters nach, und dann erinnerte er sich an das, was Gorgerino gesagt hatte, daß nämlich auch in Sparta Kinder das Gut aller waren. Und er beruhigte sich.
Während der Nacht vollführten Papà und Mamà keinen Kampf, sondern einen richtigen Krieg. Immerhin fing Mamà irgendwann an zu lamentieren: »Nein, nein, so tust du mir weh! Heilige Maria, wie weh mir das tut!«
In den ersten Dezembertagen fragte Signorina Pancucci, die Lehrerin, Michilino, ob er Mamà wohl sagen könnte, daß sie mit ihr sprechen wollte und sie daher gemeinsam, Mutter und Sohn, am nächsten Tag eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn zu ihr kommen möchten.
Als Michilino es Mamà sagte, wurde sie unruhig.
»Warum will sie mit mir reden?«
»Das hat sie mir nicht gesagt.«
»Hast du ihr Widerworte gegeben? Hast du etwas Unanständiges getan?«
»Ich tue nichts Unanständiges.«
»Hör zu, Michilino, wenn die Lehrerin unzufrieden mit dir ist, kannst du dir das Filmtheater aus dem Kopf schlagen. Verstanden?«
Seit dem Mal mit dem Buchhalter Galluzzo war Michilino nur noch einmal ins Filmtheater zurückgekehrt, weil ein Film von Krick und Krock gezeigt wurde. Der Buchhalter, der ihn hatte hereinkommen sehen, hatte sich aber nicht neben ihn gesetzt. An Stelle des Verbandes an der rechten Hand hatte er ein Leukoplastpflaster aufgeklebt.
Am nächsten Tag erklärte die Lehrerin, Signorina Pancucci, in aller Deutlichkeit den Grund für den erbetenen Besuch.
»Liebe Signora Sterlini«, sagte sie, »ich entschuldige mich, wenn ich Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet habe, doch ich fühle mich verpflichtet, Ihnen eine Gewissensangelegenheit zu unterbreiten, die Ihren Sohn betrifft.«
Mamà erschrak.
»Heilige Muttergottes! Was ist passiert?«
Auch Michilino sorgte sich. Ob man das in dem kleinen Kabuff versteckte Gewehr gefunden hatte? Das mit dem zugeschliffenen Bajonett?
»Also«, sagte die
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