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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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Unterton, während Delvaux das eher pragmatisch sah.
    »Die alten Griechen haben die ›Heilige Ebene‹ lange geehrt und sie nicht bewirtschaftet, aber als Delphis Macht schwand, war die gute Talerde Gold wert.«
    Er fuhr an den weißen Häusern von Itea vorbei nach Galaxidi, einem kleinen Ort an einer Landzunge gegenüber der Bucht, der oben auf einem Hügel von einer alten Kirche bewacht wurde.
    Delvaux parkte unten am Hafen und führte Karen durch schmale mediterrane Gassen mit zweistöckigen weißen Häusern mit terrakottafarbenen Dachziegeln zu Yiorgos’ Lokal. Der Grieche ließ es sich nicht nehmen und führte einen seiner besten Gäste höchstpersönlich mit einem breiten Grinsen zu einem bestimmten Tisch mit freier Sicht auf die Bucht.
    Karen konnte den Blick nicht von dem fantastischen Panorama wenden, das sich vor ihr auftat – das satte Blau der Bucht mit den weißen Häusern von Itea gegenüber und hoch oben der heilige Berg der alten Götter, der Parnass mit seinem schneebedeckten Berggipfel. Delvaux bemerkte ihren faszinierten Blick und sagte etwas, doch Karen bekam den Anfang gar nicht mit.
    »… Itea ist nichts für Sie«, urteilte Simon gerade und reichte Karen die Menükarte. »Eine viel zu junge Stadt.«
    »Woher wissen Sie, dass ich alte Städte bevorzuge?«
    »Welchen Grund sollte es sonst geben, dass Sie sich für Delphi interessieren? Nein, Sie lieben das klassische Altertum. Und dann ist Galaxidi viel besser als Itea, denn diese Häuser stehen auf den Ruinen einer viertausend Jahre alten Stadt. Es hat Kraft, es hat Geschichte, es hat Seele.«
    Karen stimmte ihm zu. »Ja, Sie haben Recht. Dieses Wasser … dieser Golf hat eine sehr große Anziehungskraft auf mich.«
    Delvaux grinste. »Das hat er damals auch schon gehabt. Dort drüben östlich von Itea war der alte Hafen von Delphi. Von dort sind die Pilger, die per Schiff ankamen, zum Orakel weitergereist, und manche wurden dann eben von den Krissa-Bewohnern ausgeraubt.« Er zeigte mit dem Daumen über seine rechte Schulter. »Und weiter westlich von hier fand 1571 die verheerende Seeschlacht von Lepanto statt, in der die christliche Flotte das Osmanische Reich besiegte.«
    Karen bekam eine Gänsehaut, als sie an einige Berichte über die berühmte Schlacht dachte, in der über dreißigtausend Seeleute einen nassen Tod gefunden hatten.
    »Lepanto? An der Schlacht hat doch auch Cervantes teilgenommen, nicht wahr?«
    »Ja. Er verlor dabei eine Hand, aber immerhin hat er überlebt. Haben Sie seinen Don Quijote schon gelesen?«
    »Nein, noch nicht, aber er steht in meinem Bücherregal, und wenn ich mal Zeit und Ruhe habe, werde ich ihn lesen.«
    Delvaux nickte. »Das ist vernünftig. Wissen Sie schon, was Sie essen wollen?«
    Karen sah unschlüssig auf die Menü-Karte. Irgendwie schien das Lammkotelett mit den berühmten Amphissa-Oliven eine ungeahnte Macht auf sie auszuüben. Oder sollte sie doch lieber die hiesigen Meeresfrüchte nehmen?
    Delvaux bemerkte ihre Unschlüssigkeit und beugte sich verschwörerisch über den Tisch.
    »Ich muss Sie warnen«, flüsterte er. »Fisch ist in Griechenland ziemlich teuer. Das Meer ist schon seit Jahrhunderten leer gefischt. Das Essen wird nach Gewicht bezahlt, und es wäre ratsam, beim Abwiegen des Fisches dabei zu sein.« Delvaux grinste, als er Karens verblüfftes Gesicht sah.
    »Das ist nicht Ihr Ernst«, zischte sie leise zurück.
    Delvaux hob die Schultern. »Sie können es ja ausprobieren und sehen, was passiert. Was wählen Sie?«
    Karen überflog die Karte schnell mit einem Blick. »Ich glaube, ich habe mich gerade spontan für Kontosouvli mit Auberginen und Okras entschieden.«
    »Ein Fleischspieß? Gute Wahl. Wissen Sie, was Okras sind?«
    Karen schloss die Karte. »Nein, doch ich werde es hoffentlich überleben.«
    »Okras sind Früchte einer Malvenart und kommen aus Afrika, aber ich habe sie hier auch schon gegessen. Yiorgos’ Koch kriegt sie perfekt hin.« Und ohne einen Blick auf die Karte zu werfen, sagte er dem Kellner, der inzwischen an ihren Tisch getreten war, dass er Giouvetsi nehme.
    Der etwas dickliche Kellner stellte eine Kerze auf den Tisch und zündete sie mit einem Feuerzeug an, während er Karen aus schmalen Augen betrachtete.
    »Wie Sie wünschen, Mr. Delvaux«, erwiderte er in gebrochenem Englisch und grinste mit einem leichten Nicken, was Karen nicht sehen konnte, aber es entging ihr nicht, dass der Grieche seinen Gast mit Namen kannte.
    Karen war für einen kurzen Moment

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