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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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schwer fallen. Gebe ich zu.«
    »Also, warum rufst du an?«
    »Aus keinem besonderen Grund. Ich habe Urlaub und sitze faul mit Frau und Kind am Wannsee und lasse mir die Sonne auf den Pelz brennen.« In dem Augenblick winkte ihm vom Strand her eine brünette Frau mit langen Haaren zu und rief etwas zu ihm herüber. »Ich soll dich übrigens herzlich von Marion und Hanna grüßen.«
    »Oh, danke. Dann grüß man schön zurück. Du hast Urlaub? Das gibt’s ja gar nicht.«
    »Nur eine Woche. Einfach nur mal eine kurze Auszeit.«
    Karen nahm das Fahrrad und ging damit, während sie telefonierte, die Straße entlang. »Und was machen deine Studien über mein ägyptisches Lieblingsobjekt?«
    »Vielen Dank, dass du immer wieder danach fragst, aber du weißt, dass das langwierig ist. Es sieht bis jetzt ganz gut aus. Die Tests des letzten halben Jahres sind vielversprechend, auch wenn es manchmal wieder einen Schritt zurück gab. Aber es wird noch Jahre dauern, bis wir daraus etwas für Menschen Brauchbares herstellen können.«
    »Hast du mal etwas von Mudder und Vadder gehört?«
    Karens Eltern wohnten in einem kleinen Einfamilienhaus in Plön, einer alten Stadt mit prächtigem weißem Schloss im Süden von Schleswig-Holstein. Ein Ort, den Karen liebte und wohin sie sich immer wieder gern zurückzog. Ein kleines weißes Haus mit gemütlichem Garten mitten in der Stadt. Und trotzdem war es ein Ort der Ruhe.
    »Nein, ich habe seit Ostern nicht mehr mit ihnen geschnackt, aber ich denke mal, dass Mudder mit ihrem Heimatverein durch die Gegend fährt und Vadder wie immer auf dem Plöner See herumsegelt.«
    »In seinem Alter ganz allein zu segeln ist auch nicht gerade vernünftig.«
    »Nein, aber du weißt, dass wir schon öfter mit ihm darüber geredet haben. Er tut es trotzdem. Diese Dickköpfigkeit kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    »Dito, Bruderherz, dito.« Karen warf dem schiefen Turm auf dem Gepäckträger einen skeptischen Blick zu. »Du sitzt also in der Sonne und wolltest mir nur von deiner Freizeit erzählen, während ich hier hart schuften muss?«
    Kay lachte. »Hart schuften? Sagtest du nicht gerade, dass du im Dorf einkaufen warst? Das ist natürlich wirklich ein harter Job.«
    »Lästermaul. Ich bin heute erst hier angekommen. Da brauche ich eben ein paar Stunden, um mich zu akklimatisieren.«
    »Mit Shoppen. Akklimatisieren. Schon klar.«
    Karen seufzte. »Wie bin ich froh, dass dich dieses Auslandstelefonat ein kleines Vermögen kosten wird.«
    »Glaub mir, das ist es mir wert.«
    »Schluss jetzt, Kay. Im Ernst, ich habe Hunger. Im Flugzeug habe ich nur eine Kleinigkeit gekriegt, und seitdem habe ich nichts mehr gegessen.«
    »Gut. Ich werde dann mit meinen beiden Frauen später noch ein Eis essen gehen. Sag mal, warst du schon in Athen und auf der Akropolis?«
    Karen versuchte die Kunststofftüte zu bändigen, die sich auf dem Gepäckträger immer wieder von einer Seite auf die andere verschob. »Nein. Das werde ich in den nächsten Tagen nachholen. Simon Delvaux, einer der Archäologen, sagte, dass er demnächst nach Athen fährt und mir die Akropolis zeigen will. Das passt mir ganz gut, dann kann ich danach noch zur Nationalbibliothek und dort einen Brief abgeben und ein Buch holen, das Julius und Artois mir empfohlen haben.«
    Kay wurde hellhörig. »Nun lenk nicht mit Julius ab. Ein Mr. Delvaux wird dich also nach Athen begleiten? Ist er jung und athletisch oder alt und arthritisch?«
    »Er ist jung, blond und sieht gut aus, wenn du es genau wissen willst, aber er hat gegen Michael keine Chance.«
    »Warum nicht?«
    Karen war für einen Augenblick verblüfft. »Weil … weil das gar nicht zur Diskussion steht.«
    »Das heißt, wenn du ihn vor Michael getroffen hättest, wäre es schon eine Diskussion wert gewesen? Ich glaub, ich muss mal nach Delphi reisen und mir den Kerl ansehen.«
    »Untersteh dich. Wie konnte es nur passieren, dass wir beide dieselben Eltern haben, Kay?«
    Kay seufzte. »Ich weiß auch nicht. Mudder war mal einkaufen, und als sie wiederkam, hatte sie dich auf dem Arm. Das sind die ersten Erinnerungen, die ich an dich habe.«
    »Was ist bloß mit dir los?«, fragte Karen lachend. »Du bist heute unausstehlich. Wie lange sitzt du eigentlich schon in der Sonne?«
    »Noch nicht lang genug, um einen Sonnenstich zu haben. Okay, Schwesterherz, ich überlass dich jetzt dem geheimnisvollen Delphi und dem schönen Simon. Möge Sokrates’ Weisheit dir zuteil werden, aber greif bitte nicht

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