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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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in letzter Zeit jemand versucht, Langbehn auszustechen, und Ihnen angeboten, die Aufträge billiger zu drucken?«
    Julius seufzte enerviert. »Solche Anfragen kommen laufend, aber eigentlich ist es in der Branche bekannt, dass wir zu unseren alten Partnern halten. Warum sollte ich mich auf ein neues Abenteuer einlassen, wenn bei Langbehn der Preis und die Qualität stimmen? Nein, das mache ich nicht, und das wissen die meisten eigentlich auch. Es sind immer nur Neueinsteiger, die bei mir nach einem Auftrag fragen. Doch von denen würde wohl keiner meine Druckaufträge in Brand setzen. Außerdem würde so einer dann wohl eher die gesamte Lagerhalle von Langbehn in Schutt und Asche legen, oder?«
    Jetzt schaltete sich der ältere Kriminalbeamte ein. »Wahrscheinlich, aber wir haben schon die unmöglichsten Dinge erlebt, Herr Reinhold. Verbrecher denken nicht immer logisch. Außerdem wurde das Feuer früh bemerkt und konnte schnell gelöscht werden. Andernfalls wäre wahrscheinlich die gesamte Halle abgebrannt.«
    »Haben Sie eigentlich Feinde?«, fragte der Jüngere, der anscheinend nicht so schnell aufgeben wollte.
    Julius musste sich sehr zusammenreißen, um bei dieser Frage nicht sarkastisch zu werden. Feinde?, dachte er. Das kann man wohl sagen. Schlimmere, als ihr euch jemals vorstellen könnt. Mit einer unnatürlich rauen Stimme erwiderte er: »Feinde? Nein. Das Verlagswesen ist zurzeit sehr ruhig.«
    »Keine Übernahmeangebote?«
    »Mein Verlag steht nicht zum Verkauf.«
    »Keine privaten Kriege?«
    »Das müssen Sie schon selbst herausfinden.«
    Der Ältere schmunzelte bei dieser Antwort, während der Jüngere sich nicht zurückhalten konnte. »Das werden wir, Herr Reinhold. Und wenn es da etwas gibt, werden wir es finden.«
    Sie standen auf und verließen nach einem kurzen Kopfnicken das Büro.
    »Es wäre besser, wenn ihr es nicht herausfinden würdet. Glaubt mir, es wäre vor allem für euch besser«, murmelte Julius ihnen hinterher.
    Draußen vor der Tür gingen die beiden Kriminalbeamten die Treppe der alten Backsteinvilla hinunter und warfen einen neidischen Blick auf die weißen Segelschiffe vor ihnen auf der Alster, die an diesem sonnigen Tag an ihnen vorbeiglitten.
    Der Jüngere reckte seine Arme nach oben und gähnte einmal kurz, ehe er sich an seinen Kollegen wandte. »Warum habe ich nur das Gefühl, dass Reinhold mehr weiß, als er uns sagen will? Seine Bücher sind doch gezielt abgefackelt worden. Das war nie und nimmer ein Kurzschluss, und das weiß der gute Mann ganz genau.«
    »Das denke ich auch. Irgendjemand versucht ihm zu schaden. Aber wer?«
    »Außerdem hat er Karen Alexander in unserem Beisein belogen. Also wie viel wert sind seine Aussagen uns gegenüber?«
    »Ach, ich glaube, er hat sie nur angelogen, um sie nicht zu beunruhigen. Hast du deine Frau noch nie angelogen, wenn es um unangenehme Dinge ging?«
    »Ja, schon, aber …«
    »Na also. Und ob Reinhold in einer finanziellen Notlage ist, werden wir sowieso herausfinden. Eine Lüge würde ihm da nicht lange weiterhelfen, sondern schaden, und das ist ihm auch klar. Geld hin oder her, auf jeden Fall machte er auf mich einen erschütterten Eindruck, auch wenn er es zu überspielen versuchte. Der Brand in der Lagerhalle muss ihn irgendwie geschockt haben.«
    »Aber warum? So wertvoll waren die Bücher doch wohl auch nicht. Und wie er schon sagte, wird die Versicherung ihm den materiellen Verlust wohl ersetzen.«
    »Ja, es muss etwas anderes gewesen sein, das ihn aus der Fassung brachte. Aber was?«
    In seinem Büro legte Julius die Fotos beiseite und griff nach dem Telefonhörer. Er wählte eine Nummer in Paris, die er auswendig kannte, und kurze Zeit später meldete sich sein Freund Étienne Artois, der Rektor der Sorbonne.
    »Julius, mon ami. Wie geht’s? Was macht Karen? Kommt sie mit dem Delphi-Buch gut voran?«
    »Ja, ich denke schon, aber deswegen rufe ich dich nicht an.«
    Artois bemerkte Julius’ raue Stimme und hielt den Telefonhörer noch dichter an sein linkes Ohr. »Ist etwas passiert?«
    Julius befeuchtete seine trockenen Lippen. »Das kann man wohl sagen. Er hat uns gefunden, Étienne. Beziehungsweise, er hat mich gefunden. Dich vielleicht noch nicht.«
    Artois lehnte sich in seinen Sessel zurück und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dünnes weißes Haar. »Bist du sicher?«
    »Ja, ganz sicher.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Die Halle, in der Karens Bernhardt-Buch lagerte, ging heute Nacht in Flammen auf.«
    Am

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