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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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viel über den Ort herausgefunden habe.
    Karens Antwort war drei Seiten lang …

21
    Es war Nacht. Karen wusste nicht, wo sie war. Es war dunkel, aber teilweise auch nicht. Allmählich merkte sie, dass sie sich in einer großen fensterlosen Lagerhalle befand und hilflos zwischen haushohen braun verpackten Palettenbergen hin und her irrte. Über ihr leuchtete spärliches Licht, das kaum bis zum Boden hinunterreichte.
    Neben ihr standen überall beängstigende braune Pakete, auf denen mit großen Buchstaben einzelne Wörter gedruckt waren, die sie aber nicht lesen konnte. Was wollte sie hier? Was suchte sie hier? Hastig eilte sie die engen Gänge entlang, während die Paketberge sich wie von unsichtbarer Macht vorangetrieben in Bewegung setzten und sie jagten. Bei jedem ihrer Schritte rückten sie näher zusammen, bis sie hinter ihr zu einer festen Mauer verschmolzen waren, die sich Karen unaufhaltsam näherte und sie wie eine Erdlawine unter sich begraben wollte.
    Karen schnürte es die Kehle zu, als sie die Mauer immer dichter auf sich zukommen sah. Sie versuchte zu schreien, aber aus ihrer Kehle kam kein Ton heraus. Mit letzter Kraft schlug sie mit den Fäusten auf die Pakete ein, doch sie wichen keinen Zentimeter zurück.
    Karen hämmerte immer noch auf die Pakete ein, als plötzlich das Dach der Halle zu glühen begann, ehe es völlig verschwand und grelle Feuerflammen auf sie herunterregneten. Das war es also – ihr Tod. So sah er aus. Sie würde bei lebendigem Leib in dieser Lagerhalle verbrennen, und niemand würde ihr zu Hilfe kommen.
    Doch plötzlich fand sie sich in einem Büro oberhalb der Halle mit Blick auf das Lager wieder und beobachtete, wie ein bestimmter Bereich der Halle brannte, während die vorderen Paletten unterhalb ihres Fensters völlig unbehelligt blieben. Es war, als ob eine besondere Macht sie vor dem verzehrenden Feuer schützen würde, während der hintere Bereich lichterloh brannte.
    Dann sah sie Julius Reinhold mit hocherhobenen Armen vor dem Feuer stehen, wie er von den züngelnden Flammen bedroht wurde, aber trotzdem standhaft und beinahe herausfordernd vor ihnen aushielt.
    Karen wollte ein Fenster öffnen und Julius etwas zurufen, aber der Fenstergriff bewegte sich keinen Millimeter, als ob ihn jemand extra verriegelt hätte, damit sie das Fenster nicht aufmachen konnte. Sie begann gegen das Fensterglas zu trommeln, und tatsächlich schien Julius sie zu hören. Er drehte sich zu ihr um, winkte ihr mit einem beruhigenden Lächeln zu, und trotz der großen Entfernung hörte sie ihn sagen: »Es ist alles in Ordnung, Karen. Beruhige dich.«
    »Ja, es ist wirklich alles in Ordnung, Karen. Beruhige dich. Warum fragst du?« Julius war äußerst irritiert, als sie ihn am nächsten Tag frühmorgens im Büro anrief, während er einige Faxseiten beiseite legte, deren Nachrichten ihn noch mehr beunruhigten als Karens verstörte Stimme.
    »Ich … ich hatte so eine Befürchtung, dass dir etwas passiert sein könnte«, hörte er sie stottern. »Ich hatte heute Nacht wieder einen dieser Träume … Ich war in einer Lagerhalle und musste vor einem Feuer flüchten, und du kamst auch in diesem Traum vor.«
    »Ist dir in dem Feuer etwas passiert?«
    »Nein. Ich konnte mich in ein Büro retten, aber du standst direkt vor den Flammen und wolltest nicht weggehen.«
    »Bin ich in den Flammen umgekommen?«
    »Nein, aber … sie waren sehr bedrohlich. Ich hatte Angst um dich.«
    Julius atmete einmal unbewusst tief durch. »Das ist lieb von dir, Karen, aber es geht mir wirklich prächtig. Kein Grund zur Sorge. Solche Träume hat man manchmal. Sie müssen nicht immer etwas bedeuten. Übrigens habe ich schon lange auf deinen Anruf gewartet. Ich hatte mir nämlich schon Gedanken gemacht, weil du dich bisher nicht gemeldet hast und ich dich auch nicht erreichen konnte. Ich dachte schon, dass eines dieser verflixten Erdbeben dich erwischt hat. Aber du bist okay, oder?«
    »Ja, alles nur halb so schlimm, kein Problem«, log Karen, der bei dem Gedanken an ein neues Erdbeben Schauer über den Rücken liefen. Herabstürzende Dächer und Hauswände waren nicht das, was sie hier in Delphi erwartet hatte.
    Julius war beruhigt. »Sehr gut. Und, machst du Fortschritte für dein neues Buch? Hast du schon viel über Delphi herausgefunden?«
    »Ich denke schon. Es gibt so vieles, über das man schreiben könnte. Ich entdecke Delphi für mich gerade neu.«
    Julius lachte angespannt. »Das glaube ich auch. Na, dann mach man

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