Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
Vom Netzwerk:
verabschieden, denn mein Flugzeug geht in einer Stunde.«
    Karen war verblüfft. »Wie bitte? Sie fliegen heute schon wieder ab? Ich dachte, wir könnten noch einen Kaffee oder Tee zusammen trinken. Wie schade. Dann werden wir uns nicht mehr wiedersehen?«
    »Wer weiß?« El Bahay lächelte sphinxenhaft, verneigte sich leicht vor Karen und schüttelte ihr dann die Hand. »Gott schütze Sie, Mrs. Alexander.«
    »Sie ebenfalls, Mr. El Bahay. Bitte grüßen Sie Mr. Kennard von mir, wenn Sie ihn sehen.«
    »Gern. Darüber wird er sich freuen.« El Bahay drehte sich um und verschwand mit wenigen Schritten hinter einer der vielen Bücherreihen.
    Karen sah ihm verwirrt nach. War das wirklich real gewesen, oder hatte sie nur einen guten Geist gesehen? Doch dann blickte sie auf das Buch in ihrer Hand und bemerkte, dass ein kleines bräunliches Papier zwischen den Seiten hervorlugte. Sie schlug die Seite auf, und ein kleines Papyrus-Lesezeichen kam zum Vorschein.
    Auf dem Papyrus prangte die Maat. Vorsichtig strich Karen mit den Fingern über den alten Papyrus und griff dann instinktiv nach ihrem goldenen Maat-Anhänger. Beinahe hätte sie einem Impuls nachgegeben und wäre El Bahay nachgelaufen, aber sie wusste, dass sie ihn nicht mehr einholen würde.
    Schwungvoll klappte sie das alte Buch zu und ging damit zur Ausleihe, wo ein junger Bibliotheksangestellter völlig irritiert auf die Signatur am unteren Ende des Einbands starrte.
    »Woher haben Sie dieses Buch?«
    »Von dort hinten. Aus Raum 5, glaub ich. Warum?«
    »Weil wir dieses Buch schon seit Ewigkeiten suchen. Davon besitzen wir nur noch drei Exemplare.«
    Karen beschlich ein ungutes Gefühl. Wenn das Buch so selten war, würde sie es wohl nicht mit nach Delphi nehmen dürfen. Sie warf dem Angestellten einen bittenden Blick zu. »Darf ich es trotzdem ausleihen?«
    Der junge Mann kratzte sich am Hinterkopf. »Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Da muss ich erst mal bei meinen Vorgesetzten nachfragen.«
    »Ja, eine gute Idee. Bitte rufen Sie Prof. Laskaridis an. Hier ist mein Leserausweis mit seiner Durchwahl. Er sagte, wenn es Schwierigkeiten gebe, solle ich ihn anrufen.«
    »Prof. Laskaridis kennt Sie?«
    »Ich hatte heute Mittag ein Gespräch mit ihm.«
    Der Angestellte drehte unsicher die Karte in seinen Fingern hin und her. Der Professor war der zweitwichtigste Mann in der Universität … und der hatte dieser Frau seine Durchwahl gegeben? Einfach so? Der Angestellte konnte es kaum glauben. Das Ganze konnte auch ein Bluff sein, damit sie mit diesem seltenen Buch verschwinden konnte. Nein, er musste beim Professor anrufen und sich vergewissern, dass das stimmte.
    »Einen Moment bitte.«
    Karen musste einige Minuten warten, doch dann erinnerte sie sich daran, dass El Bahay gesagt hatte, dass sie alles bekommen werde, was sie brauche. Auf einmal war sie sicher, dass man ihr erlauben würde, das Buch auszuleihen, und tatsächlich kam der Bibliotheksangestellte kurze Zeit später mit einem Stirnrunzeln wieder und reichte ihr den alten Einband über die Theke.
    »Sie dürfen es mitnehmen.«
    »Für wie lange?«
    »So lange Sie wünschen.«
    Karen konnte ein leichtes Schmunzeln nicht unterdrücken, als sie das Buch entgegennahm und in ihren Rucksack steckte. El Bahay hatte Recht gehabt.
    »Vielen Dank. Ich werde sorgsam damit umgehen.« Sie verabschiedete sich von dem Angestellten, begab sich zum Ausgang und trat in das helle Licht der griechischen Sonne hinaus.

24
    Eigentlich wäre das Benaki-Museum, das Prof. Laskaridis ihr empfohlen hatte, ein angenehmer Ort zu dieser Tageszeit gewesen, aber Karen hatte keine Lust mehr, noch ein Museum zu besuchen. Mit Schliemanns gefundenen Artefakten hatte sie die Dinge gesehen, die ihr am wichtigsten waren, und das genügte ihr vorerst. Stattdessen wollte sie sich lieber in ein Kafenio setzen, eine Kleinigkeit essen und in dem englischen Buch lesen.
    Sie schlenderte durch die engen Straßen der Plaka, vorbei an den vielen Marktständen, wo Hüte, Schmuck und T-Shirts verkauft wurden. An einem der Stände hielt sie an und kaufte einen kleinen steinernen Dreifuß für Julius und einen Apollon und eine Athene, die sie als Andenken mitnehmen und Michael schenken wollte.
    Dann ging sie weiter in südliche Richtung entlang idyllischer Stoas, die ursprünglich nur zwei Straßen miteinander verbinden sollten, aber inzwischen oft Läden und Cafés hatten, in denen die Athener gemütlich saßen und miteinander plauderten. Im Gegensatz zu

Weitere Kostenlose Bücher