Der zerbrochene Kelch
auf den Weg zur Akropolis, um sich mit Delvaux und Eliadis zu treffen.
28
Einige Straßen von ihr entfernt ging Delvaux durch die kleineren Gassen der Plaka, die ihn um die Nordostseite des Akropolis-Felsens führten.
Er wollte gerade bei einem Periptero eine Zeitung kaufen, als er betrunkene Jugendliche in einer nahen Stoa hörte, die einen Griechen beschimpften. Laute Wortfetzen drangen an sein Ohr, als er plötzlich die Stimme des Opfers erkannte. Der Streit wurde lauter, und auf einmal waren auch Schläge zu hören.
Ohne zu zögern, rannte Delvaux in die Stoa und warf sich auf die drei Jugendlichen, die Eliadis in die Mangel genommen hatten. Den ersten schickte er mit einem Kinnhaken aus der Stoa und den zweiten mit einem Tritt in die Rippen hinterher. Nur der Letzte hing wie eine Klette an Eliadis und wollte sich erst von ihm lösen, als Delvaux ihn an einem Ohrenpiercing hochzog. Der Junge trat um sich und traf ihn am Bein, doch er schleuderte ihn auf die Straße.
»Verschwindet!«
Delvaux tat so, als ob er nach ihnen treten wollte, doch die Jugendlichen warfen ihm noch einige Beschimpfungen an den Kopf und zeigten ihm den gestreckten Mittelfinger, ehe sie zwischen den Häusern der Straße verschwanden.
»Bist du in Ordnung?«, fragte er Eliadis, der leicht benommen gegen die Fensterscheibe eines kleinen Blumenladens lehnte.
»Es geht schon. Ich hab nur ein bisschen Nasenbluten«, murmelte er und stopfte sich ein Stück eines Papiertaschentuchs in den linken Nasenflügel.
Delvaux warf ihm einen skeptischen Blick zu, aber er wusste, dass Eliadis hart im Nehmen war. »Na gut, wie du meinst. Wolltest du auch gerade zurück zum Auto?«
Eliadis nickte vorsichtig, damit nicht noch mehr Blut in die Nase schoss.
»Gut, dann werde ich mal deinen Bodyguard spielen und dich hinbringen. Kanntest du die Typen?«
»Nein, hab sie noch nie gesehen.«
»Warum hast du eigentlich nicht dein Messer gezogen?«, fragte Delvaux und deutete auf Eliadis’ rechtes Bein. »Dann wären die doch sofort abgehauen.«
Dieser tastete mit den Fingerspitzen seine Zähne ab. »Zu gefährlich. Die waren betrunken. Wenn ich das Messer gezogen hätte, hätten sie es mir aus der Hand gerissen und es mir selbst zwischen die Rippen gejagt.«
Delvaux nickte. »Stimmt. So hirnlos, wie die waren, hätten sie sicher zugestochen.« Langsam gingen sie zum Parkplatz, wo Karen schon auf sie wartete.
Irritiert sah sie auf Eliadis’ angeschwollene Nase und die Blutstropfen auf seinem Hemd, während auf Delvaux’ brauner Hose ein breiter Fußabdruck prangte. Karen traute ihren Augen nicht.
»Haben Sie beide sich etwa geschlagen?«
Delvaux musste lachen, als er Karens ungläubiges Gesicht sah, während Eliadis versuchte, den herausgerutschten Papierpfropfen ins Nasenloch zurückzustopfen.
»Es ist nicht so, wie Sie denken, Karen.«
»Und warum hat er dann Blut auf dem Hemd und Sie eine dreckige Hose?«
»Weil drei besoffene Halbstarke es auf Nikos abgesehen hatten. Sie meinten wohl, mit seinem Klumpfuß wäre er ein leichtes Opfer. Zum Glück kam ich noch rechtzeitig und konnte helfen.«
Karen war seit ihrer Ankunft in Delphi eine Rivalität zwischen den beiden aufgefallen und wusste jetzt nicht, ob sie Delvaux’ Erklärung glauben sollte. Sie warf Eliadis einen fragenden Blick zu, doch der nickte.
Delvaux spielte den Beleidigten. »Karen, bitte. Glauben Sie wirklich, dass ich mich mit Nikos schlagen würde? Ich hätte nicht gedacht, dass Sie mir so etwas zutrauen würden.«
»Es tut mir leid, aber es sah eben so aus, als ob Sie beide miteinander gekämpft hätten. Entschuldigung.«
»Kein Problem.« Delvaux schloss den Wagen auf und warf Eliadis dann den Schlüssel zu. »Willst du immer noch den Wagen fahren, oder geht’s nicht?«
Eliadis straffte sich. »Natürlich wird es gehen«, krächzte er, während er versuchte durch den Mund zu atmen. Er setzte sich auf den Fahrersitz, Delvaux nach hinten, und Karen nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
Eliadis kannte sich in Athen gut aus, nahm einige schmale Nebenstraßen und war schon nach einer Viertelstunde auf der Autobahn, die westlich aus Athen hinausführte. Er war trotz seiner Behinderung ein sicherer Fahrer, und so kamen sie schnell voran.
Er hatte das Radio angeschaltet und stellte es nach einigen Minuten etwas lauter, als ein bestimmtes englisches Lied ertönte, in dem ein Mann mit leiser, beschwörender Stimme Miracles , faszinierende kleine Wunder, beschrieb, die immer gerade
Weitere Kostenlose Bücher