Der Ziegenchor
bei irgend jemandem Ärgernis zu erregen. Was hast du zu sagen?‹
Wahrscheinlich ist es ganz gut so, daß ich diese Ansprache nicht gehalten habe, sonst hätte von da an mein Name als Musterbeispiel für Aufgeblasenheit gegolten, wo immer sich zwei Athener begegneten. Nach Lage der Dinge war ich gerade bis ›Arist… ‹ gekommen, als sich Aristophanes aus dem Griff des kleinen Zeus befreite, auf das Loch in der Wand losstürmte und zu fliehen versuchte. Er rannte fast in mich hinein, und ich griff nach seinem Chiton, verlor aber den Halt in einer Lache Lampenöl, rutschte aus und fiel mit dem Hinterteil schmerzhaft auf ein Paar Sandalen.
»Es ist zum Heulen!« fluchte Philonides. »Du könntest dir nicht mal Fieber in den Sümpfen einfangen, Eupolis! Egal, dann laßt uns die anderen in Augenschein nehmen.«
Er ergriff die Gefangenen der Reihe nach am Bart und musterte jeden einzelnen mit grimmiger Miene. »Jetzt hört mir gut zu« sagte er, »Spaß ist Spaß, aber Unsinn kann ich nicht ausstehen. Wenn ihr also das nächstemal mit mir arbeitet, seid ihr lieber sehr vorsichtig. In Ordnung, Aristobulos, binde sie los. Ich sagte, binde sie los, du Narr! Diese Halstücher kosten Geld.«
»Aber sind das nicht Aristophanes’ Schauspieler?« protestierte ich. »Wir könnten sie einsperren und dann…«
Philonides befahl mir, den Mund zu halten, und warf jeden einzelnen Gefangenen eigenhändig hinaus. »Ich nehme an, für mich hätten die dasselbe getan«, sagte er schließlich und hockte sich erschöpft auf die Kostümtruhe.
»Aber Philonides…«
»Jetzt hör mal zu!« unterbrach mich Philonides aufgebracht und griff mich am Arm. »Ich muß mit diesen Leuten auch noch in Zukunft arbeiten, klar? Und mit Aristophanes erst recht, um genau zu sein. Deshalb ist die Geschichte für mich damit erledigt, klar?«
Ich nickte, und er ließ mich los. Dann zog ich mich in eine Ecke des Raums zurück, wo ich eine Weile ziemlich verdutzt verharrte. Doch Philonides stand auf und überprüfte den Schaden, der seinem Eigentum zugefügt worden war.
»Da du Philippos’ Sohn entkommen lassen hast, mache ich dich für den ganzen Schaden haftbar«, fuhr er mich an und wandte sich dann an den Zeugen, der völlig verwirrt dreinblickte. »Hast du das mitbekommen? Eupolis, Sohn des Euchoros, aus dem Demos von Pallene, muß für diesen Schaden haften. Und wenn ich herausbekomme, wer von euch Witzbolden meinen besten Stuhl kaputtgemacht hat, dann reiß ich ihm den Kopf ab.«
Es gab für uns alle noch viel zuviel zu tun, um uns müde oder übermütig zu fühlen: Kostüme mußten zusammengestellt, Masken gefüttert und (wie ich zu meinem Bedauern zugeben muß) Texte gelernt werden. Als die von meinem Haus weitergeleiteten Boten eintrafen, um mir zu melden, daß ich für diesen Tag gewählt worden sei, hatte sich der Chor bereits versammelt und unternahm einen letzten verzweifelten Versuch, mit der Haupttanznummer zu Rande zu kommen. Philonides schien alle Ereignisse des frühen Morgens hinter sich gelassen zu haben, als ob solche Dinge jeden Tag passierten, und jagte wie wild hinter jedem Wollfaden oder Lederriemen für die Masken her, von denen jetzt der Erfolg unseres ganzen Unternehmens abzuhängen schien. Für mich selbst hatte er anscheinend keinerlei Verwendung und befahl mir schließlich, ihm nicht vor den Füßen herumzulaufen. Wie er mir erklärte, sei er ein beschäftigter Mann, und obwohl er meine Freundschaft und Gesellschaft außerordentlich schätze, sei dies weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um sich mit Anfängern abzugeben. Folglich zog ich mich beleidigt wie Achilles zurück und ging nach Hause, um Brustpanzer und Helm loszuwerden und meine Kleidung zu wechseln.
Die Straßen schienen voller Menschen zu sein – einige mit Kissen unter den Armen, andere mit Kindern auf den Schultern –, die offensichtlich alle zum Theater unterwegs waren. Ein- oder zweimal glaubte ich, meinen Namen zu hören, und dadurch kam ich mir vor, als sei ich der König der Athener an seinem Krönungstag oder ein wegen Hochverrats verurteilter Staatsmann, was jeweils von dem Tonfall desjenigen abhing, dem ich gerade zuhörte.
Als ich die Straße hinaufging, blickte mir Phaidra bereits aus der geöffneten Tür entgegen.
»Nun?« verlangte sie zu wissen, als ich mich an ihr vorbei ins Haus drängte. »Was ist passiert? Habt ihr sie erwischt?«
»Mehr oder weniger«, antwortete ich, während ich meine Rüstung wütend unter
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