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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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eine Liege schleuderte. »Ich Narr habe Aristophanes entwischen lassen, aber Philonides hat die anderen erwischt und sie sich ein für allemal vorgeknöpft. Ich glaube nicht, daß wir mit denen noch mal Ärger haben werden.«
    »Gut«, entgegnete Phaidra und legte mir zärtlich die Arme um den Hals.
    »Nicht jetzt«, bat ich. »Gibt es in diesem Haus irgend etwas zu essen?«
    Sie ließ mich los und sagte: »Wenn du möchtest, kann ich dir Haferbrei machen. Du kannst bestimmt etwas Kräftiges gebrauchen…«
    »Dazu ist keine Zeit mehr«, antwortete ich. »Ich hole mir im Theater ein Würstchen oder so etwas. Was ich jetzt brauche, sind ein paar saubere Kleidungsstücke. Diese hier sind von den Ziegeln voller Schutt und Asche.« Ich goß etwas Wasser in eine Schüssel, wusch mir das Gesicht, das sich anfühlte, als hätte sich darauf der gesamte Schwemmsand einer Nilflut angesammelt. Dann trocknete ich mir die Hände an einem der persischen Zwanzig-Drachmen-Wandteppiche ab. Während ich damit beschäftigt war, kam Phaidra mit sauberen Kleidungsstücken herein; aber anstatt damit nach mir zu werfen, tat sie so, als bemerke sie nicht, daß ich den kostbaren Wandteppich mißbrauchte, und sagte nur: »Hier, bitte.«
    Nachdem ich den alten Chiton ausgezogen hatte, reichte sie mir einen neuen. »Den habe ich noch nie gesehen«, stellte ich verwundert fest.
    »Ich weiß«, erwiderte sie. »Und versuch bitte, ihn nicht gleich schmutzig zu machen, weil ich Wochen gebraucht habe, um ihn anzufertigen. Und du weißt ja, wie sehr ich das Weben hasse.«
    Ich starrte den Chiton an, als handle es sich dabei um das Nessoshemd. »Wie? Den hast du selber gemacht?« fragte ich etwas dümmlich. »Für mich?«
    »Nein, natürlich nicht für dich, sondern für den Aufseher der Bäder, aber ihm hat die Farbe nicht gefallen. Jetzt tu nicht so erstaunt, du undankbares Ekel.«
    »Wetten, daß der nicht paßt?« sagte ich, während ich den Kopf durch den Kragen schob. Aber er saß hervorragend und duftete zu meiner großen Überraschung sogar leicht nach Rosen. »Das hätte ich nicht gedacht, aber er sitzt etwas knapp unter den Achseln.«
    »Na gut, dann gehe ich also davon aus, daß du den Umhang nicht haben willst, richtig?«
    »Es liegt mir fern, dich zu kränken«, sagte ich. »Aber ich kann ihn ja einfach ausziehen, wenn ich nach draußen gehe.«
    Sie kam dicht an mich heran, um mir die Spange am Hals zu befestigen, und ohne nachzudenken, küßte ich sie, und zwar so oft, bis ich allmählich den Überblick darüber verlor, wie oft ich sie geküßt hatte.
    »Und? Wie gefällt dir das?« fragte sie.
    »Ganz gut«, murmelte ich verlegen.
    Phaidra hatte mittlerweile die Spange befestigt, aber sie ließ nicht von mir ab und fragte mit sanfter Stimme: »Und wann werde ich endlich ausgeschimpft?«
    »Wofür denn?«
    »Ach, natürlich dafür, daß ich Aristophanes von diesen blöden Kostümen erzählt habe.« Sie schloß die Augen und streckte mir den Kopf entgegen.
    »Vielleicht später, wenn ich etwas mehr Zeit habe«, sagte ich.
    »Na gut, du hast deine Gelegenheit gehabt«, entgegnete sie. »Aber was noch viel wichtiger ist, wann kommst du endlich dazu, mir zu danken? Nämlich dafür, daß ich dir das Stück wie eine Göttin auf dem Flugapparat in letzter Minute gerettet habe?« Sie stand auf den Zehenspitzen, bis ihre Lippen meinen sehr nahe waren, und ich küßte sie erneut.
    »Nennst du das bedanken? Du hast nicht mal den Mund aufgemacht«, beschwerte sie sich.
    »Habe ich doch«, antwortete ich. »Und mehr Dank verdienst du auch nicht. Und würdest du jetzt bitte damit aufhören, an mir hochzuklettern, und mich gehen lassen?«
    Phaidra zog eine Grimasse und ließ mich los. »Du wirst schon sehen, was du davon hast«, sagte sie. »Wenn du gehst, brauchst du erst gar nicht wiederzukommen. Nur zu, ich kann deinen Anblick sowieso nicht mehr ertragen.«
    »Gut«, entgegnete ich. »Dann willst du also nicht mit ins Theater kommen?«
    »Wie bitte? Und dann verpassen, wie du von der Bühne gebuht wirst? Nicht für alles Parfüm in Korinth möchte ich das verpassen wollen.«
    Ich nahm meinen Spazierstock und betrachtete mein Spiegelbild in einem polierten Bronzekrug – ein Irrer, sagte ich mir, aber ein begabter Irrer. Dann sah ich Phaidras Gesicht über meine Schulter lugen und drehte mich um.
    Sie drückte mir die Nase gegen die Brust und flüsterte: »Eupolis?«
    »Ja, was denn?«
    »Viel Glück. Ich weiß, daß die Leute das Stück hassen

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