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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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kleinasiatischen Küste – für höchste Zeit, in die Heimat zurückzukehren und wieder Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, und zwar nach der Erkenntnis, daß sich das Angebot an Persern früher oder später erschöpfen werde, und man sich deshalb genausogut wieder an die Arbeit machen könne, bevor der Boden überhaupt nicht mehr in den Griff zu bekommen sei.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte Themistokles großartiger Einfall, durch die Bemannung von Schiffen Arbeitsplätze zu schaffen, immer mehr Gestalt angenommen. Um den Fortbestand des Bündnisses zu gewährleisten, gaben die Athener nun vor, über den Rückzug ihrer Verbündeten furchtbar entrüstet zu sein, und sprachen auf den Bündnisversammlungen wortgewandt davon, die gefallenen Helden und die entweihten Tempel Athens rächen zu müssen. Als die Insulaner daraufhin äußerst verlegen wurden und nichts darauf zu antworten wußten, gaben sich die Athener ausgesprochen nachgiebig und zeigten sich zu Zugeständnissen bereit. Sie verstünden die Haltung der Inselbewohner sehr gut und würden aus besonderer Gefälligkeit im Interesse aller Griechen den großen Rachefeldzug allein weiterführen, bis die persische Bedrohung vom Angesicht der Erde vertilgt und der Zorn der Götter vollkommen besänftigt sei. Als Geste der Solidarität sollten die Inselbewohner lediglich jedes Jahr eine unbeträchtliche Geldsumme für die allgemein entstehenden Kosten entrichten. Sie, die Athener, würden die Schiffe und Männer bereitstellen, und die Beute werde am Ende einer jeden Kampfzeit gleichmäßig verteilt.
    Natürlich stimmten die Insulaner diesem Vorschlag ohne Vorbehalte zu, denn entweder würden die Athener die Perser oder die Perser die Athener von der Erde fegen – auf jeden Fall wäre eine Plage weniger auf der Welt. Deshalb schworen sie eine Unzahl Eide und verpflichteten sich zur jährlichen Leistung eines geringen Beitrags in die Bündniskasse. Gleich darauf wurde der Hut herumgereicht, und die Athener benutzten das Geld, um weitere Schiffe zu bauen und sie mit einheimischen Besatzungen zu bemannen, bis fast jeder erwachsene Athener, dem der Gedanke an harte Arbeit nicht behagte, angemessen versorgt war. Doch als die Inselbewohner allmählich merkten, daß die Athener schon eine ganze Zeit nicht mal mehr in der Nähe der Perser gewesen waren und der große Rachefeldzug anscheinend im Sande verlaufen war, stellten sie die Zahlung ihrer Beiträge ein und erklärten die Angelegenheit für erledigt.
    Als nächstes kreuzte nun die äußerst feindselig wirkende athenische Kriegsflotte vor den Mauern der Inselstädte auf und verlangte Aufklärung darüber, was aus der diesjährigen Geste der Solidarität geworden sei. Als ihnen die Insulaner zu erklären versuchten, daß der Krieg längst vorüber sei, fanden die Athener das über alle Maßen lustig und antworteten, das Gegenteil sei der Fall, denn der Krieg werde gleich erst richtig losgehen, falls die Inselbewohner nicht unverzüglich den Tribut (wie der geringe Beitrag jetzt genannt wurde) zuzüglich der mit der Belagerung der Insel verbundenen Kosten und eines erheblichen Loyalitätszuschlags entrichten würden. Nun ist eine vollständig von Wasser umgebene Insel einer überwältigenden Seemacht natürlich besonders schutzlos ausgesetzt, und die Insulaner sahen ein, daß ihnen nur die Wahl zwischen Bezahlen oder Sterben blieb.
    Also bezahlten sie, und die Athener bauten mit dem so eingetriebenen Geld weitere Kriegsschiffe und heuerten noch mehr Ruderer an.
    Auf diese Weise entstand aus dem antipersischen Peloponnesischen Bund der Erste Attische Seebund beziehungsweise das Große Athenische Reich, und eine Zeitlang schien es so, als könne niemand etwas dagegen unternehmen. Die Athener konnten sich jetzt so viel Importgetreide kaufen, wie sie wollten, und hatten auch keine innenpolitischen Probleme mehr, da auf der Soldliste des demokratischen Stadtstaats inzwischen genügend wahlberechtigte Bürger standen, die eine stabile Mehrheit bildeten. Die Berufsruderer wohnten nämlich zum großen Teil in oder zumindest in unmittelbarer Nähe der Stadt, während die meisten anderen Athener, die von Anfang an mit der ganzen Sache nichts zu tun haben wollten und sich wieder um die Bebauung ihres Landes bemühten, eher außerhalb der Stadtmauern in den Dörfern Attikas lebten und gemeinhin mit dem Bestellen des Bodens viel zu beschäftigt waren, um sich alle paar Wochen einen ganzen Tag für den Besuch der Volksversammlung

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