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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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ich schätze, Sie verlören ziemlich schnell das Interesse und würden sich statt dessen allmählich Gedanken über das Einbringen Ihrer Wintergerste oder das Düngen der Weinreben machen. Alles in allem halte ich es daher für das beste, mit meiner Erzählung direkt nach dem Ende der Perserkriege einzusetzen, als alle Griechen geschlossen gegen die persischen Eindringlinge standen und die Welt noch völlig anders aussah.
    Schon vor den Perserkriegen hatten wir Athener uns nicht ausschließlich von den auf der attischen Halbinsel angebauten Nahrungsmitteln ernähren können. Und als die Perser in Attika einfielen, Athen zerstörten und sämtliche Rebstöcke und Ölbäume ausrissen oder verbrannten, befanden wir uns alle in einer ausgesprochen verzweifelten Lage. Wie Sie sicherlich wissen, braucht eine junge Weinrebe allerwenigstens fünf Jahre, bis sie kräftig genug ist, um zur Lese geeignete Trauben hervorzubringen, während bei einem Olivenbaum bis zum ersten Tragen ohne weiteres zwanzig Jahre oder mehr vergehen können. Die athenische Wirtschaft beruhte auf dem Export von Wein und Öl im Austausch gegen importiertes Getreide, und die einzige Ware, die man sonst noch hätte exportieren können, war Silber. Die Silbergruben gehörten zwar dem Staat, waren aber samt und sonders an reiche Leute verpachtet, so daß es keine Möglichkeit gab, diese Einnahmequelle zur Ernährung der Bevölkerung zu nutzen.
    Was wir allerdings zur Genüge hatten, waren Kriegsschiffe. Sie müssen nämlich wissen, daß kurz vor der Invasion der Perser einem Mann namens Themistokles die Aufgabe übertragen worden war, unsere langwierige Fehde mit der Insel Ägina ein für allemal zu beenden. Dieser Politiker verwandte daraufhin die Einnahmen aus den Silberbergwerken für den Bau und die Ausstattung der größten und besten Kriegsflotte in ganz Griechenland. Als die Perser kamen, setzten wir diese Flotte zur Evakuierung der Stadt ein, und mit ihr errangen wir schließlich in der Schlacht bei Salamis den endgültigen Sieg.
    Eine wichtige Tatsache darf man bei einem Kriegsschiff nicht übersehen: Man braucht für die Bemannung und das reibungslose Funktionieren eine beträchtliche Anzahl von Männern, die natürlich allesamt bezahlt werden müssen, weil sie sonst einfach von Bord gehen und verschwinden. Bis heute ist ein Kriegsschiff (oder eine Kriegsflotte) wahrscheinlich die wirksamste Methode, die jemals vom menschlichen Gehirn ersonnen wurde, um für Menschen ohne besondere Fähigkeiten einträgliche Arbeitsplätze zu schaffen, und genau das hatte Themistokles begriffen. Einerseits mußte er für eine Stadt sorgen, deren Menschen sich nicht von ihren landwirtschaftlichen Erträgen ernähren konnten, und andererseits verfügte er über einen Hafen, der mit überflüssigen Kriegsschiffen vollgestopft war, die erst vor kurzem ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt hatten, die mächtigste Kriegsflotte der Welt in Grund und Boden zu rammen.
    Zu dieser Zeit war Athen noch Mitglied des Peloponnesischen Bunds, des Zusammenschlusses griechischer Städte, der in aller Eile gegen die persischen Eindringlinge gebildet worden war. Nach allem, was man hört, war dieses Bündnis während der Dauer seines Bestehens eine wunderbare Sache, denn zum erstenmal in der Weltgeschichte lagen nicht alle Griechen miteinander im Krieg. Nach der Vertreibung des persischen Großkönigs aus Griechenland war das Bündnis offenbar überflüssig geworden, und anscheinend sah niemand einen Anlaß, es nicht sofort wieder aufzulösen, um sich nach alter Väter und Großväter Sitte von neuem gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Doch aus einem wundersamen Grund bestand das Bündnis weiter.
    Die einleuchtendste Theorie, die ich dazu gehört habe, besagt, daß sich die meisten griechischen Städte in einer annähernd gleichen Lage wie Athen befanden: Die Wirtschaft war durch den Krieg überall zusammengebrochen, und niemand wollte in seine Stadt zurückkehren und sich mit den dortigen Schwierigkeiten auseinandersetzen. Statt dessen zog man es vor, seinen regelmäßigen Sold für den Kampf gegen die Perser zu beziehen, und wenn sich die Gegner allesamt nach Persien zurückgezogen hatten, dann mußte man ihnen eben folgen – und genau das tat man auch. Eine Zeitlang amüsierte man sich prächtig mit dem Brandschatzen von Städten und dem Raub kostbarster Schätze. Aber dann hielten es einige der Griechen – insbesondere diejenigen von den Inseln im Ägäischen Meer und von der

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