Der Ziegenchor
zurückkommst, wird sich nichts zwischen uns abspielen, und damit basta«
»Was ist los?«
»Du hast mich doch gehört. Wenn du glaubst, du kannst mich schwängern, um dann zu verschwinden und dich beim Herumalbern in Samos umzubringen und mich dein furchtbares Kind ganz allein großziehen zu lassen, dann…«
»Phaidra…«
»Ich bin eine freie athenische Frau und keine Bruthenne. Hast du ein Testament aufgesetzt?«
»Was hast du gesagt?«
»Nicht nur taub, sondern auch noch leichtsinnig«, vertraute sie dem Kopfkissen an. »Ich habe dich gefragt, ob du ein Testament aufgesetzt hast.«
»Nein.«
»Findest du nicht, daß du das tun solltest?«
Ich blickte erstaunt drein. »Wie? Jetzt?«
»Um Himmels willen!« keifte sie mich an. »Morgen früh ziehst du in den Krieg. Hast du denn überhaupt kein Verantwortungsbewußtsein?«
Ich holte tief Luft, preßte die Lippen zusammen und versuchte, Phaidra zu mir heranzuziehen. »Nein, jedenfalls so lange nicht, bis du…«
Ich glaube, das mußte der entscheidende Tropfen gewesen sein, der für die vor der Tür horchenden Kinder des Dienstmädchens das Faß zum Überlaufen brachte, denn es war ein schriller, kindlicher Lacher zu hören, und Phaidras Gesicht wurde knallrot. Sie hüpfte aus dem Bett, ergriff den Nachttopf, öffnete die Tür und warf ihn hinaus. Leider war der Topf leer.
»Verschwindet!« brüllte sie – mir war bis dahin noch gar nicht richtig aufgefallen, wie laut ihre Stimme sein konnte. Dann knallte sie die Tür zu und blickte mich wütend an. »Du Hornochse!«
»Was habe ich denn getan?«
»Wie konnte ich nur so einen Versager heiraten?« Sie ließ sich stöhnend aufs Bett fallen und zog sich die Überdecke bis zum Kinn hoch. »Dir ist doch hoffentlich klar, daß das morgen ganz Athen weiß, oder?«
Wie gelähmt schüttelte ich den Kopf. »Ach, Phaidra…«
»Was das Ganze noch schlimmer macht, sind diese dämlichen Theaterstücke von dir«, fuhr sie unbeirrt fort.
»Wie bitte?«
»Das wird man dir nie vergessen«, seufzte sie, »wenn erst einmal Aristophanes und diese anderen Narren davon gehört haben, dann… Und alle Leute werden auf der Straße auf mich zeigen und sagen…«
»Jetzt halt endlich die Klappe, ja?« Mein Kopf war kurz vorm Platzen. Ich hatte das Gefühl, als bräche er wie ein voller Keile getriebener Baumstamm auseinander.
»Rede gefälligst nicht in diesem Ton mit mir!« fauchte sie mich an. »Sonst kannst du auf dem Boden schlafen!«
»Das sollte ich vielleicht sowieso tun«, entgegnete ich ungerührt.
»Gut.« Sie gab ein schniefendes Geräusch von sich, das vermutlich als Weinen verstanden werden sollte, aber ich merkte auf einmal, daß mich das nicht weiter scherte. Ich beugte mich über sie, löschte das Licht und ließ mich mit dem Kopf ins Kissen fallen.
»Was hast du denn jetzt vor?« wollte Phaidra wissen.
»Einschlafen natürlich«, nuschelte ich ins Kissen hinein. »Du kannst machen, was du willst.«
Danach sagte sie noch eine ganze Menge, was ich als seltsam beruhigend empfand, denn ich fiel tatsächlich in eine Art Dämmerschlaf. Als ich wieder zu mir kam, waren die Kopfschmerzen völlig verschwunden. Phaidra schlief fest, wobei sie ihre Nase fest gegen meinen Nacken preßte. Um sie nicht aufzuwecken, drehte ich mich sehr vorsichtig um, dann schaute ich sie mir an.
Einer der Nachbarn meines Vaters pflegte die Geschichte von der Erschaffung der Frau so zu erzählen, daß die guten Götter den weiblichen Körper aus Lehm formten, wobei sie ihn lieblicher machten als alles andere in der Welt, und ihn zum Trocknen in der Sonne ließen. Während sie abwesend waren, kamen die bösen Götter und steckten die weibliche Seele in den Körper, damit sterbliche Männer niemals im Leben Ruhe und Glückseligkeit erfahren. Ich werde nie vergessen, wie schön Phaidra in diesem Moment aussah. Über ein Auge war eine Haarsträhne gefallen, und ich strich sie über die Stirn zurück. Dann versuchte ich, Phaidra zu küssen, doch ihre Lippen waren zur Hälfte im Kissen vergraben, und es gelang mir nur, den Mundwinkel zu berühren. Ich schob behutsam einen Finger unter ihr Kinn, um das Gesicht anzuheben, aber sie wachte plötzlich auf, murmelte: »Laß mich in Ruhe«, und drehte sich auf die andere Seite um.
»Nein, komm wieder her.«
»Ach, fahr zur Hölle!« fluchte sie gähnend. »Außerdem schnarchst du. Ich hoffe nur, die Samier kriegen dich.«
»Was soll das denn heißen?«
»Das heißt, wenn ich man mich in
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