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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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diesem Moment vor die Wahl stellen würde, mich zwischen dir und keinem Ehemann entscheiden zu müssen, dann…«
    »Hör mal…«
    Sie schlängelte sich von mir weg bis ganz an die Bettkante heran. »Wenn man mich vor die Wahl stellen würde…«, wiederholte sie und verstummte plötzlich.
    Eine innere Stimme raunte mir etwas zu, und auf einmal schien sich alles zusammenzufügen, wie man ein Rad an die Achse montiert, bevor der Achsnagel ganz hineingeschlagen wird. »Ach, das ist es also, was mit dir nicht stimmt«, stieß ich fast erleichtert aus.
    »Ach, was du nicht sagst…«
    Ich setzte mich auf und rieb mir die Augen. »Jetzt mal ganz im Ernst.«
    »Was ist es denn?«
    »Jedesmal, wenn ich mich bei Leuten über dich erkundigt habe, habe ich den Eindruck gewonnen, daß es etwas gibt, das ich wissen sollte«, erklärte ich ihr. »Aber leider habe ich nie herausfinden können, was.«
    Phaidra machte ein verzweifeltes Gesicht, als wäre ich ein schwieriges Kind, das sich nicht bestechen ließ, nicht einmal mit einem Stück Honigwabe. »Jetzt schlaf endlich«, sagte sie müde.
    »Aber ich habe nie gedacht…« In diesem Moment haßte ich den Klang meiner eigenen Stimme, die sich in der Dunkelheit schrill und kindlich anhörte und nichts mit mir zu tun hatte. »Ich habe wirklich nie gedacht, daß es so etwas Simples sein könnte wie…«
    »Wie was?«
    »Wie ein wirklich mieser Charakter«, fuhr ich fort, während ich die Worte wie widerspenstige Schafe durch das Gatter meiner Zähne trieb. »Das ist es also, stimmt’s? Wirfst du eigentlich auch mit Gegenständen um dich, oder schreist du nur?«
    »Ich habe keinen miesen Charakter!« kreischte sie mich an, und einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl der Überlegenheit und war glücklich.
    »Und das ist es, was alle anderen wußten und ich nicht«, fuhr ich ungerührt fort, wobei meine Stimme immer lauter wurde und ich mich nicht darum kümmerte, wie sie klang. »Das ist es, was mir dein Vater erfolgreich verschwiegen hat. Das ist es, was Aristophanes meinte, als er sagte…«
    »Das ist doch typisch Mann!« zischte sie. »Männer dürfen natürlich schreien und mit Sachen um sich werfen, wie es ihnen beliebt. O ja, denen ist es gestattet, so laut und widerlich zu sein, wie sie nur wollen, vor allem wenn sie wie Hunde in der Meute durch die Gegend ziehen. Ich nehme an, wenn du mitten in der Nacht mit vollgekotztem Umhang und einem hübschen Jungen nach Hause kommst, den du im Schuhmacherviertel aufgegabelt hast, dann…«
    »Ich hätte es wissen müssen«, unterbrach ich sie, während ich meine Kerntruppen gegen die feindliche Reiterei führte. »Das ist wie beim Fischhändler, genauso…«
    »Und dann fängst du an, die Gegend zusammenzubrüllen und die ganzen Krüge umzustoßen und in Eiltempo gebratenen Breitling mit Sahnesoße zu verlangen, und warum ist der Boden nicht gekehrt worden und…«
    »Jeder hat irgendeinen verdorbenen Fisch zu verkaufen«, unterbrach ich sie erneut. »Schon gut, Jungs, hier kommt Eupolis, dem können wir ihn andrehen. Eupolis kauft alles, das weiß jeder…«
    »Wovon redest du überhaupt?«
    »Das weißt du sehr gut«, erwiderte ich wütend. »Und du hast es die ganze Zeit gewußt, oder?«
    Sie schnaubte verächtlich, genau wie ein Pferd. »Um Himmels willen, Eupolis! Was erhoffst du dir eigentlich vom Leben? Du hast doch wohl nicht wirklich von mir erwartet, mich an dich heranzuschleichen und zu sagen: ›Heirate mich lieber nicht, ich werfe nämlich mit Tellern‹, oder was? Und selbst du kannst nicht so abgrundtief dämlich gewesen sein, um zu glauben, wir hätten der Heirat zugestimmt, weil wir dich mögen.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Ich meine, schau dich doch an. Selbst in den Silbergruben habe ich hübschere Männer als dich gesehen.«
    Ich gaffte sie mit offenem Mund an; in diesem Moment hätte ich sie am liebsten erwürgt.
    »Jetzt reicht’s mir aber!« brüllte ich sie schließlich an. »Morgen früh gehst du sofort zu deinem Vater zurück.«
    Sie starrte mich derart haßerfüllt an, daß ich mit Sicherheit zu spüren glaubte, wie sich allmählich meine Gesichtshaut abpellte. »Das würdest du nicht wagen«, erwiderte sie ängstlich.
    »Und wenn du denkst, du würdest einen einzigen Obolos von deiner Mitgift zurückbekommen«, fuhr ich unbeirrt fort, »dann bist du dümmer, als du aussiehst, denn ich kenne die Gesetze und…«
    In diesem Augenblick ging sie auf mich los. Ich riß den Arm hoch, um die Augen

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