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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Nicht so die Samier und Milesier. Es war die Angst vor den Milesiern, nicht vor den Persern, weswegen die Samier in erster Linie dem athenischen Bund beitraten, und als wir zu Beginn des Kriegs anläßlich irgendeiner regionalen Kabbelei für die Milesier Partei ergriffen, sagten sie sich vom Reich los und ließen Gesandte aus Sparta kommen. Das hatte zur Folge, daß Perikles in See stechen und sie sich vorknöpfen mußte, was ihm erst nach einer langen und blutigen Belagerung gelang. Seither haben sie uns überhaupt nicht mehr gemocht, aber zum Glück gibt es ja die Milesier, mit denen sie sich beschäftigen können. Wie mir erzählt wurde, stellt sich ein Samier unter einem vergnüglichen Zeitvertreib vor, wenn er sich Freunde und Nachbarn einlädt, um mit ihnen gemeinsam einen oder zwei Krüge Wein zu öffnen (nebenbei bemerkt, schmeckt Samoswein wie Gerbbrühe) und mit Messern in einen Wollumhang zu stechen, weil Wolle der Hauptexportartikel von Miletos ist.
    Unsere Aufgabe auf Samos bestand darin, die Steuern einzuziehen, und niemand wußte, ob sich das als leicht herausstellen würde oder nicht. Laut unserem Taxiarchos sollte es wie das Pflücken von Äpfeln von einem niedrigen Baum werden; alle Samier sind dick, weil sie zuviel Schafskäse essen, und da sich die Demokraten und die Oligarchen ständig wegen des neuesten Plans für einen Überraschungsangriff auf Miletos in die Haare geraten, ist die eine Partei gezwungen, die andere zu verraten, die Stadttore zu öffnen und dem Heerführer im Schlaf die Kehle durchzuschneiden. Auf der anderen Seite erzählte eine Gruppe von Männern, die mit Perikles auf Samos gewesen war, eine ganz andere Geschichte. Ihnen zufolge hatte der ständige Krieg mit Miletos alle Bürger so hart wie Schildleder gemacht, und als sich die Samier erst einmal innerhalb der Stadtmauern befanden, hätte sie nur echter Hunger wieder herausgebracht. Außerdem hätten sie in der Verteidigung befestigter Dörfer und Städte (wieder gegen die Milesier) sehr viel Erfahrung gesammelt und die unangenehme Angewohnheit, jedem siedendes Blei über den Kopf zu gießen, der so nahe kam, daß sich die Mühe lohnte. Wie die Veteranen hinzufügten, hätten die Samier jede Menge Blei, das sie von den Kariern im Tausch gegen Olivenpreßkuchen und bemalte Töpferwaren erhielten.
    Tatsächlich bekamen wir während der ganzen ersten Woche unseres Aufenthalts auf der Insel keinen einzigen Samier zu Gesicht. Statt dessen bauten wir eine Mauer. Keiner wußte, welchen Sinn sie hatte, wo sie herkommen und wo sie hinführen oder wie hoch sie sein sollte und welche Seite wir zu guter Letzt verteidigen mußten. Sie fing mitten in einem Weingarten an und hörte schließlich am flachen Hang eines Hügels auf, entweder aus einsichtigen strategischen Gründen oder weil uns die Steine ausgingen. Während der ersten beiden Tage vertrieben wir uns einigermaßen unterhaltsam die Zeit mit Mutmaßungen über den Zweck und den genauen Grund, warum die Mauer an beiden Enden offen gelassen worden war, danach regnete es; nach allem, was man hörte, in diesem bestimmten Monat das erstemal seit den Zeiten des Tyrannen Polykrates. Ich hatte zuvor schon ein- oder zweimal an einem relativ geruhsamen Mauerbau teilgenommen, aber unter unseren Taxiarchen schien die allgemeine Ansicht zu herrschen, daß diese Mauer sehr bald gebraucht werden würde, obwohl das nicht erklärbar war. Als in der dritten Nacht auf Samos ein großer Teil der Mauer einstürzte, wurde von uns verlangt, die Anstrengungen zu verdoppeln, woraufhin sich meine Einstellung zum Soldatendienst zum Schlechteren hin änderte.
    Schließlich war die Arbeit jedoch abgeschlossen, und kaum war der letzte Stein unter lautem Gejohle eingepaßt worden, erhielt unsere Einheit den Befehl, die Wasserschläuche zu füllen und in die Berge hinaufzumarschieren, die auf Samos sehr hoch sind und wo es von politischen Gegnern (die samische Bezeichnung für Räuber) wimmelt, um die Steuern aus den umliegenden Dörfern einzutreiben. Wir winkten unserer Mauer, die wir nie wiedersehen sollten, zum Abschied hinterher und machten uns auf, um für unser Land zu sterben – falls sich die Notwendigkeit ergeben sollte.
    Als wir einigen Samiern begegneten, versuchten sie allerdings nicht, uns zu töten; sie waren erst um die zwölf Jahre alt und recht klein für ihr Alter. Statt dessen bemühten sie sich, uns einheimische Töpferwaren und die Gesellschaft ihrer Schwestern zu verkaufen, die (wie sie

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