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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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teilweise zerschmolzen. Das waren, meinen Erfahrungen aus dem Rotkreuz-Lehrgang nach zu urteilen, mindestens Verbrennungen 2. Grades. Das Wasserbecken, einschließlich der Hebesäule, jedoch noch intakt. (Nur den angeschmorten Wasserzuleitungsschlauch im Innern der Säule mußte ich oben mit dem Taschenmesser etwas kürzen.)
    Da saß ich nun.
    Zwar war der bisherige Absatz eher schleppend gewesen und plötzliche Engpässe nicht in Aussicht – im Gegenteil, durch eine etwas voreilig georderte Nachlieferung war der Bestand inzwischen auf 117 Modelle angewachsen; dennoch, am Ende würde in der Abrechnung ein Modell fehlen.
    Die Nachbestellung war übrigens nach einem Besuch zustande gekommen, der mir – obwohl er meinen erstengroßen Erfolg einleitete – beklemmend in Erinnerung ist. Von Anfang an hatte ich da ein ungutes Gefühl. Als aber die Tür aufging, zu spät, fiel es mir wieder ein: Werner Janowski; ehemaliger PGH – Chef, später in der Handwerkskammer, inzwischen im Vorruhestand. (Wir hatten früher einige Male miteinander zu tun gehabt, Reklamationen und Bauabnahmen, glaube ich.) Ich mußte mich in meinen Listen vertan haben!
    Die ganze Zeit hatte ich Angst, er würde mich erkennen. Zum Glück hielt Strüver die Fäden fest in der Hand, lenkte alle Aufmerksamkeit auf sich. Janowski empfing uns wie zu einer Dienstbesprechung. Und, was mich sehr erstaunte, Janowski – obwohl er meines Wissens nicht mal in der Partei gewesen war, im Gegenteil, damals immer die tragende, lebenswichtige Rolle des privaten Handwerks hervorgehoben hatte – hielt mit uns eine Art Parteilehrjahr ab. Er holte Mappen, die eigens zu diesem Zweck bereitzuliegen schienen, aus einem Schrankwandschubfach hervor, als hätte er nur auf diesen Tag, auf diesen Moment gewartet.
    Strüver war sehr davon beeindruckt, man sah es. Später mußte er dann doch los; es dauerte einfach zu lange.
    Ich blieb noch bis zum Schluß, und, gewissermaßen, als Belohnung für mein Zuhören und Warten, erhielt ich die Unterschrift für drei Modelle! Wahrscheinlich war es weniger Jona, und auch meine Rolle dabei will ich nicht überschätzen; ich hatte vielmehr den Eindruck, Janowski brauchte das einfach mal wieder: die Lesebrille wichtig aufzusetzen und (»Na, geben Sie schon her«) seine Unterschrift folgenschwer unter ein Papier zu wischen.
    Ich verließ damals jedenfalls etwas benommen die Wohnung. Als ich dann Strüver traf und ihm die Kaufverträge zeigte, spürte ich das erste Mal so etwas wie Verkäuferstolz.
    »Alles fließt …« Das Jona-Modell im Hobbyraum, wohin Freitag keinen Zutritt hat, hatte ich natürlich nicht ausgeschaltet. Ich gönnte mir, bevor es zu Entschlüssen über das weitere Vorgehen kam, einen kurzen Moment der Stille, der Meditation …
    Jetzt, wo Julia gegangen war, verstand ich mich übrigens wieder ausgezeichnet mit ihr. Unser Verhältnis wurde durch keinerlei Alltag mehr beeinträchtigt. Es hatte eine neue, rein geistige Dimension gewonnen. Ich hatte mir angewöhnt, stumme Zwiesprache mit Julia zu halten. So erzählte ich ihr, was Freitag wieder ausgefressen hatte, und daß er sich allmählich zum Sicherheitsrisiko entwickelte. Die ganze Wohnung hätte ja abbrennen können.
    Ich verschwieg ihr auch nicht, daß ich vor einigen Tagen eine Stelle im Protokollbuch geschwärzt hatte, die mir, als ich sie auf dem Höhepunkt unserer Krise eintrug, durchaus wie eine Fundamentalerkenntnis vorgekommen war: »Die Ehe als Zweierbeziehung hat etwas Widernatürliches.« (Ich muß dazusagen, daß ich sie wahrscheinlich vor allem auch deswegen wieder ausstrich, weil sie mir ein bißchen zu sehr à la Conny klang.) Das alles verhinderte allerdings nicht, daß ich beim Durchblättern des Protokollbuchs immer wieder an dieser Stelle einhielt, sogar die Seite gegen das Licht hielt, um im Durchscheinen die Schrift zu entziffern, ob sie überhaupt noch dastand.
    Wie auch immer. Das Nachdenken führte zu nichts.
    Vor mir stand das unbrauchbare Jona-Modell. Und da ich es nicht länger untätig anstarren konnte, zog ichmir meinen blauen Arbeitskittel über, öffnete den Werkzeugschrank und begann mit der Arbeit. Wenn man nicht weiß, was man machen soll, muß man etwas tun.
    Später bin ich oft gefragt worden, wie ich damals auf meine Idee gekommen bin, ob vielleicht »Auferstanden aus Ruinen« mich inspiriert hätte? Ich weiß es nicht. Ich konnte es nie genau sagen.
    Beim Heimwerker arbeiten die Hände! Der Kopf, als stiller Beobachter,

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