Der Zimmerspringbrunnen
Sonnabend – Hugelmann nicht im Büro! (Ich konnte mir natürlich denken, wo er war …)
Allerdings war das auch nicht Hugelmanns Privatnummer. Die hatte ich nämlich mal, eher zufällig, in Julias Adreßbüchlein gefunden, als ich in Julias Handtasche – diesem kleinen, schwarzen Bermudadreieck! – nach meinem Kellerschlüssel forschte, ohne ihn freilich in diesem Chaos finden zu können. (Er war ja auch, wie sich später herausstellte, ordnungsgemäß in der Gesäßtasche meiner Jogginghose, wo er schließlich hingehört.)
So nahm ich mir also unser gemeinsames Telefon-Adreßbuch vor und ging systematisch die Nummern durch. Ich hatte Glück, ich mußte nicht lange suchen. Die fragliche Nummer entdeckte ich ziemlich schnell – und zwar hinter dem Eintrag: »Conny – zu Hause!« Conny also …
Vielleicht war ja die Flucht auch schon von langer Hand, unter dem Deckmantel angeblicher »Skatabende«, vorbereitet worden?
Conny steckte also mit Julia und Hugelmann unter einer Decke! Ich stellte mir das bildlich vor – mir wurde ganz elend.
Plötzlich hatte ich Julias Stimme im Ohr. Oft hatte sie ja abends stundenlang mit Conny telefoniert: »Wir brauchen morgen abend noch einen dritten Mann …« – Jetzt erst erkannte ich das ganze abgründige Ausmaß dieses verschlüsselten Satzes.
Hilflos sank ich auf dem Flurfußboden nieder. Ichschloß Freitag, der sich mir unschlüssig genähert hatte, fest in meine Arme. Jetzt waren wir beide ganz alleine auf der Welt! Ich spürte seine Wärme – da bemächtigte sich meiner ein eiskalter Gedanke: noch war ja nicht alles verloren, immerhin hatte ich ja noch ihn – als Geisel!
Würde ich ihm nun mehrere Tage nichts zu fressen geben, bei Conny und Julia anklingeln und Freitag dann einfach den Hörer hinhalten … wenn er so traurig in den Apparat winselte, mußte sich doch etwas in Julia rühren, mußte sie doch …
Als hätte Freitag meine Gedanken gelesen, wurde er unruhig und wollte sich von mir losmachen. Ich schämte mich, kam mir gemein vor, so etwas überhaupt gedacht zu haben. Rasch trocknete ich meine Tränen – und begann nun die Wohnung neu, meinen Arbeitsbedürfnissen entsprechend, einzurichten. Das heißt (so, wie ich das oben schon angedeutet hatte): Aufstellung und Inbetriebnahme der Zimmersprinngbrunnen. Die »Nach-Julia-Ära« hatte begonnen.
Anfangs war Freitag meinen Installationen nur mit geringem Interesse gefolgt. Beinahe gleichmütig nahm er die Aufstellung hin. Als ich dann jedoch immer mehr – auch zentrale! – Punkte der Wohnung mit Zimmerspringbrunnen bestückte, witterte er Gefahr. Sein Nackenhaar sträubte sich. (Wollte hier jemand in sein Revier eindringen?) Er zog sich unter den Küchentisch zurück und beobachtete von dort aus, den Kopf zwischen den Pfoten, ratlos das Geschehen.
Beim ersten sprudelnden Auftauchen eines Jona-Walfisches hatte Freitag noch versucht, diesen zu verbellen, und, ermutigt durch dessen alsbaldiges Untertauchen, es auch das nächste Mal von neuem versucht. Dochdiese Reflexkette konnte auf Dauer nicht funktionieren; immer weitere der aufgestellten Springbrunnen füllte ich mit Wasser auf und schaltete sie an. So kommentierte er schließlich die überall auf- und abtauchenden Walfische nur noch mit einem bösen, aber resignierten Knurren …
Einmal, ich komme ins Wohnzimmer – auch dort, neben dem Tisch, inzwischen ein Jona-Brunnen. Freitag, auf seinen Hinterpfoten, sitzt ganz brav davor und begutachtet mit offenem Maul, einigermaßen sprachlos, das maritime Schauspiel.
Ich mußte lächeln.
Ich will ihm nun erklären, wozu ich die Springbrunnen aufgestellt habe – daß ich mir auf diese Weise nämlich ein tieferes Verständnis ihrer Wirkungsweise, vor allem ihrer Wirkung auf die menschliche Seele erhoffe … gehe also zu ihm hin, lege meinen Arm gewissermaßen »um seine Schulter« … Er aber, ohne den Blick vom Springbrunnen abzuwenden, knurrt nur vor sich hin.
Sicher – und nun komme ich zu dem eingangs erwähnten Wendepunkt –, sicher war ich in dieser bewegten Zeit meiner Aufsichtspflicht dem armen Hund gegenüber nur unvollständig nachgekommen. Keineswegs jedoch, wie man nun vielleicht vermuten könnte, in der unterbewußten Absicht, ihn doch noch in eine bedauernswürdige, halbverhungerte Kreatur zu verwandeln, mit deren Hilfe ich Julia gegebenenfalls zurück nach Hause hätte locken können … Nein, ich war nur einfach rund um die Uhr beschäftigt! Tagsüber war ich
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