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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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zwingend-erkennbaren Grund, »nach Luft schnappt«. Julia tat es. Sie tat es mit einer gewissen Lust, wie mir schien.
    Ihre Augen, zwei funkelnd schwarze Punkte, waren dabei unersättlich auf mich gerichtet. Sie sah sehr schön aus in diesem Augenblick. Dann aber begann sie zu sprechen. Doch so einfach war das nicht. Sie mußte erst ihre Worte suchen.
    »Lobek«, sagte sie schließlich.
    »Ich sage dir zum letzten Mal«, setzte sie wieder neu an, und sie sagte das, wie alles Weitere, was noch kam, indem sie die Worte gleichsam buchstabierte; oder, genauer, langsam aufprallen ließ, wie Hammerschläge auf einer Rudergaleere …
    »Lobek« (noch einmal also), »in deiner netten Gesellschaft hat man als denkender Mensch und als Frau keine andere Wahl: man kann …« (die Pausen zwischen den Wörtern waren immer länger geworden), »man kann in deiner Gesellschaft nur irre werden!«
    (Bei »irre« hatte sie dann auch tatsächlich, wohl umes zu unterstreichen oder zu demonstrieren, die Augen in ungewöhnlicher Weise, nämlich gegeneinander, verdreht.)
    Ich sagte nichts dazu. Du liebes, gutes Kind, dachte ich nur milde und voller Nachsicht bei mir. Was soll denn da ich erst sagen? Ich befinde mich ja 24   Stunden des Tages in meiner Gesellschaft! Tag für Tag. Und wieviel lange Jahre das schon. Zwar, zum Glück, von gelegentlichen Ruhephasen, kürzeren oder längeren Schlafpausen unterbrochen – aber auch da wußte man ja nie, was auf einen zukam … Dr. Redlow zum Beispiel, der große geniale Hauptdarsteller meiner Alpträume, nachts, wenn er mit seiner ganzen miesen Mannschaft aus der Wand sprang …
    Ich wollte etwas Einlenkendes sagen –
    »Mußt du eigentlich immer das letzte Wort haben?« unterbrach mich Julia.
    »Nein«, sagte ich – und hatte es also, wie ich glaubte, glücklich erbeutet.
    Doch auch an den nächsten Tagen spürte ich eisig Julias Ablehnung. Als wir am darauffolgenden Sonnabendvormittag zusammen (genauer gesagt: zeitgleich) Hausputz machten, störte sich Julia wieder an den Kartons im Flur. Mein gutgelaunter Hinweis, daß man unter den Kartons nicht staubsaugen müsse, weil nach menschlichem Ermessen dorthin ja überhaupt gar kein Staub gelangen könne, wurde von ihr als »zynisch« zurückgewiesen. Ich wollte der Sache jetzt aber auf den Grund gehen, ging in meinen Hobbyraum und setzte mich an den Tisch.
    Lange überlegte ich.
    Ich mußte Julia einen Brief schreiben, um endlich Klarheit über unsere Verhältnisse zu erlangen. Mehrmals setzte ich an, schrieb rasch etwas auf, verwarf es dannjedoch wieder. Mehrere angefangene Varianten lagen auf dem Tisch.
    Ich erinnerte mich daran, wie wir uns kennengelernt hatten … im D-Zug Leipzig   –   Berlin … das Kreuzworträtsel in der Wochenpost … sibirischer Fluß mit zwei Buchstaben … » Ob ich Ihnen behilflich sein dürfte?« … Lauter verdrehte Einzelheiten fielen mir wieder ein. Unser erster, verregneter Zelturlaub an der Ostsee, in Baabe, wo wir uns nur von Blutwurst aus Büchsen und Senf aus Bautzen ernährten. Die Nacht im Strandkorb. Das Baden beim Sonnenaufgang …
    Das allgegenwärtige Wasser brachte mich schließlich wieder zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen, zum gegenwärtigen Tiefstand unserer Beziehung zurück. Ich wollte ja auch gar keinen Roman schreiben, sondern nur klipp und klar wissen, 1.) wie Julia allgemein zu mir steht? und 2.) ob sie meinem weiteren beruflichen Werdegang gegenüber aufgeschlossen ist?
    Ich weiß nicht – wahrscheinlich hatte ich den richtigen Ton doch nicht getroffen, oder ich hatte es zu scharf formuliert … Jedenfalls, als ich etwa anderthalb Stunden, nachdem ich meinen Zettel auf dem Küchentisch abgelegt hatte, wieder in die Küche kam (unter dem Vorwand, mir eine Tasse Kaffee zu kochen, hauptsächlich natürlich, um zu sehen, ob und wie Julia meine kleine Botschaft aufgenommen hatte), sah ich, daß Julia auf die Rückseite meines Zettels ein großes »Jawohl« geschrieben hatte (mit drei Ausrufezeichen), und darunter, kleiner, eine Telefonnummer, unter der sie zu erreichen sei – aber nur (und das war doppelt unterstrichen) »in dringenden Fällen«.
    Ich nahm den Zettel hoch, ich drehte ihn um und las noch einmal meine Zeilen: »Wenn Du meine Art nichterträgst, dann nimm Dir doch einen Stoffhasen zum Mann!«
    Mein erster Gedanke, als ich wieder denken konnte, war: Ich rufe bei Hugelmann an und verlange die unverzügliche Herausgabe meiner Ehefrau. Aber es war

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