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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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kann von seiner hohen Warte aus dem Treiben der Hände nur staunend folgen. Die Form selbst will Gestalt annehmen. Und ist erst einmal der erste Schritt in eine bestimmte Richtung getan, folgen die anderen wie von selbst. Man gerät in einen wohltuenden Sog der Zwangsläufigkeiten.
    So mußte ich etwa, wegen des gekürzten Zuleitungsschlauches, auch den Fernsehturm, der jetzt das Zentrum bildete, ein Stück kürzen. Ich sägte ihn, bevor ich ihn wasserfest aufklebte, unterhalb der Kuppel ab. Dadurch wurde er zum Kegelstumpf, was wiederum den Gedanken nahelegte, um ihn herum eine Vulkanlandschaft entstehen zu lassen.
    Und so weiter. – Ich deute das nur an, um zu zeigen, daß im Schaffensprozeß auch Zufälliges mit im Spiel war.
    Ebenso war es beim Namen. Als ich, spät nach Mitternacht (Freitag, der Sünder, schlief schon längst), den ersten Probelauf durchführte, wußte ich sofort: Es muß Atlantis heißen.
    Damals dachte ich noch, es würde bei diesem einen Stück, diesem Unikat, bleiben – und ich wollte es im Gefolge von Jona diskret mit durchschmuggeln, eventuell gegen Preisnachlaß (den Rest würde ich natürlich aus eigener Tasche dazulegen). Deshalb schob ich auch die Kiste, aus der ich den Fernsehturm entnommen hatte,wieder ganz nach hinten in den Schrank. Es handelte sich da um Geschenkartikel, ca. 250 Stück Kugelschreiber in Form des DDR – Fernsehturms, die ich noch aus meiner KWV – Zeit herübergerettet hatte. (Gedacht waren sie ursprünglich als »kleines Dankeschön« für Bürger, die sich bei der Verschönerung unserer Hauptstadt verdient gemacht hatten.)
    Das Bemerkenswerte, was ich nun herausgefunden hatte, war: Schraubte man so einen Kugelschreiber auseinander und nahm Mine und Feder heraus, ergab sich eine ideale Hohlform, in die der Jona-Wasserzuleitungsschlauch genau hineinpaßte!
    Die goldene Aufschrift »Berlin – Hauptstadt unserer Republik« hatte ich bei meinem ersten Versuch zwar ausgekratzt; später, als ich mit Atlantis in Serie ging, ließ ich sie einfach stehen.

– A.   I.   D.   A.
oder
im Würgegriff des Kleinhandels –
    Morgen für Morgen, wenn ich die Wohnung, meine Höhle, verließ, sah ich mir nun zum Verwechseln ähnlich: Anzug, Aktenkoffer, Augenaufschlag (angriffslustig!).
    Vorher, im Bad, war dazu natürlich noch die tägliche Einübung, das Ritual vor dem Spiegel, notwendig. Ich sah mir tief und zuversichtlich in die Augen – ganz tief, ein intensiver Blickkontakt. Doch ehe ich haltlos im blauen Strudel versinken und mich an die dunklen Fragen verlieren konnte, die lauernd, Haifischen gleich, am Grunde meiner morgendlich trüben Bewußtseinsströme dahintrieben (Was wird das hier mit uns, Hinrich? Wo geht das mit uns hin?), machte ich, etwa zwanzigmal und in atemberaubender Folge, »Bla-blö-blu-bli« – die empfohlene Gesichtsmuskellockerungsgymnastikübung für den frühen Morgen, und sofort fühlte ich mich wieder fit und für mein Tagwerk gerüstet. Während ich frühstückte, gab es zur Einstimmung Verdi – und zwar: Aida!
    Strüver war mit mir übereingekommen, daß zwischenzeitlich ich allein den Außendienst übernehmen sollte, während er verstärkt »konzeptionell« arbeiten wollte. Das hatte seine Ursache wahrscheinlich im schleppenden Absatz von Jona, obwohl Strüver wider besseren Wissens zu mir gesagt hatte, die Sache laufe ja jetzt allmählichvon selbst, da müßten wir nicht mehr Drückerkolonne spielen. (Mein Kommentar dazu im Protokollbuch: »Daß ich nicht lache!«)
    Strüvers neueste Idee, der er sich hingegeben hatte, war: Die sonntäglich leeren Briefkästen für Werbeanschreiben zu nutzen! Gezielt, nicht etwa in jeden Kasten – und mit Überraschungseffekt: Sonntags rechnet niemand mit Post, da geht man konkurrenzlos an den Start. – Er saß also in seinem Hotelzimmer und klickerte tagsüber verschiedene Varianten in den Laptop, die er mir abends, wenn ich zur Lagebesprechung erschien, vorlas. Aber immer wieder fand er etwas zu verändern; ich nehme an, vor allem deshalb, weil er nicht so schnell wieder in den Außendienst zurück wollte.
    Auch einen Teil der Kundenpost gab er mir zur Bearbeitung. Ich erinnere mich an eine Anfrage, ob man nicht im Auffangbecken von Diana Zierfische halten könne? Ich wollte das unter Ulk verbuchen, aber Strüver meinte, hier könnte sich, obwohl das gegenwärtig wohl technisch noch nicht machbar sei, ein interessanter Schnittpunkt mit der, weiß Gott, relevanten Großgruppe der

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