Der Zimmerspringbrunnen
einige Wochen später bei meiner morgendlichen Zeitungsschau gelesen und es sofort lila, das war meine Signalfarbe für erste und letzte Versuche, angestrichen. In einer physiotherapeutischen Massagepraxis, fand ich, war unter Umständen auch Jona wieder einsatzfähig und am Platze. Deswegen vor allem war ich so hellhörig geworden, denn in meiner Atlantis-Produktion hatte ich erhebliche Planrückstände und lag weit, weit hinter den Bestellungen zurück!
Ich startete also einen Versuch, und schon beim zweiten Mal hatte ich Glück. Es meldete sich eine dunkle, tiefe Stimme, Baßbereich. Ich erläuterte kurz mein Ansinnen, Zimmerspringbrunnen, pipapo. Die Stimme ging gar nicht weiter darauf ein, sie wollte nur wissen, ob ich auf Empfehlung käme. Ja, log ich, denn ich wollte nicht sagen, daß ich die Nummer nur zufällig aus dem Inseratenteil gefischt hatte.
Wir vereinbarten einen Termin, das ging alles sehr unkompliziert. Ich sagte noch, um nun auch meinerseits Entgegenkommen zu zeigen: Länger als eine halbe Stunde würde es kaum dauern, worauf die Stimme erwiderte: Eine Stunde, ungefähr, würde sie für mich schon einplanen. Davon war ich angenehm überrascht; sonst mußte man ja um jede Minute feilschen.
Der Termin war abends, 19 Uhr. Es war eine Adressein der Innenstadt. Ich schaffte es knapp. Tagsüber war ich in Jüterbog und Zossen gewesen. Dort hatte ich übrigens vollständig meinen aktuellen Atlantis-Vorrat absetzen können. An einer Frittenbude kaufte ich mir noch schnell eine Tüte Pommes mit Mayo – aber auch mit schlechtem Gewissen: Freitag wartete sicher schon zu Hause auf mich. Ich wischte mir mit einem Papiertaschentuch entschlossen Mund und Hände ab, nahm einen Jona-Karton aus dem Kofferraum und schritt gedankenvoll auf die Hausnummer 24 zu. Dort angelangt, zögerte ich; ich dachte schon, weil draußen kein Schild angebracht war, ich hätte mich in der Adresse geirrt. Aber unten, Parterre rechts, fand ich es dann doch: ein kleines ovales Schildchen – »Studio Manuela«. Ich atmete tief durch, überprüfte noch einmal, ob ich mich auch nicht mit Mayonnaise bekleckert hatte, bestimmte Stand- und Spielbein, plazierte den Karton möglichst unaufdringlich in meiner rechten Armbeuge – und klingelte.
Es war nicht eigentlich ein Klingeln, was ich da ausgelöst hatte. Eher waren es außerirdische Technoklänge, zwar gedämpft und wie aus großer Ferne, doch bedrohlich schräg.
Die Tür tat sich auf: Frau Manuela. (Ich glaube, es war, wenn man das so sagen kann, ein Künstlername! Ich begehe deshalb mit dieser Nennung keine Indiskretion. Der bürgerliche Name dieser Person ist mir im übrigen unbekannt.)
Frau Manuela also. Sie sah mich an.
Unwillkürlich wurde ich davon etwas kleiner. Auch hatte sie meinen Zierkarton mit solch einem Blick bedacht, daß ich es spontan für angeraten hielt, ihn ein Stück weiter hinter meinen Rücken zu bugsieren, meinenKörper gleichsam als vorläufiges Schutzschild zwischen ihn und die Dame schiebend.
»Bitte, kommen Sie doch herein«, bedeutete Frau Manuela mir nun, und zwar mit der bekannten dunklen Stimme, die aber, offen gestanden, auf telefonische Distanz weitaus anheimelnder geklungen hatte.
Ich drückte mich an Frau Manuela, die den Türrahmen, wie ich jetzt sah, überaus beträchtlich ausfüllte, vorbei – und stand im Flur. Mein Gott! Mein Mund stand offen: Die Flurausgestaltung entsprach exakt dem, was ich vom Raumschiff Enterprise her kannte …
Frau Manuela schloß die Tür, im selben Moment zog sie mit einem Ruck (dessen Geräusch mir noch jetzt, noch heute im Ohr reißt) den Gürtel, der ihren Umhang oder Bademantel oder was es sonst war, zusammenhielt, auf: Nackte Hautpartien, von zerrissenen Uniformteilen drapiert, drängten ans bläuliche, kaltflimmernde Licht. An einer der lila und spitz aufragenden Brustwarzen war ein zackiger Orden befestigt. Die straff sitzenden Überkniestiefel glänzten höllisch schwarz. Und auch sonst … auch sonst …
O ja, ohne Frage, sofort wußte ich natürlich Bescheid, was hier gespielt wurde. Ich lächelte wohl auch verlegen oder versuchte es, den Umständen entsprechend, zumindest; im Rahmen eines klärenden, sachlichen Gespräches wollte ich nun rasch das Mißverständnis, das uns zusammengeführt hatte, ausräumen …
Ich will jetzt nicht davon erzählen, wie mich, ehe ich überhaupt ein einziges Wort hervorbringen konnte, aus dem Handgelenk dieser Person ein Peitschenhieb traf; darauf, trotz
Weitere Kostenlose Bücher