Der Zirkel Des Daemons
Arthur und seine Botschaft hing wie eine dunkle Wolke über ihrem Haus. Er würde kommen und versuchen, ihre Mutter zu holen. Und sie wusste es.
In diesen Tagen sprühten im Haus beständig kleine magische Funken. Lichter gingen unerwartet an und aus, und ab und zu ertönten merkwürdige Geräusche. Alan meinte, dass seine Mutter Angst hätte, aber das war Nick egal. Er mochte es gar nicht, auf Schritt und Tritt an seine Magiermutter erinnert zu werden; die Magie im Haus kam ihm wie ein weiterer Eindringling vor.
Alan mochte die menschlichen Störenfriede. Beide.
Alan genoss es, gemeinsam mit Mae Bücher zu lesen, und er war ganz aus dem Häuschen darüber, dass sie das griechische Alphabet lernen wollte. Er war in sie verliebt, das konnte Nick verstehen. Aber wäre nicht Nicks Ungewissheit über die - möglicherweise idiotischen - Pläne seines Bruders gewesen, hätte er sich nicht weiter um die beiden gekümmert.
Alan schien sich im Übrigen nicht nur in Maes, sondern auch in Jamies Gegenwart wohlzufühlen. Er und Jamie schauten gemeinsam fern und hörten Musik, und Alan versuchte, Jamie den Unterschied zwischen »Essen kochen« und »Essen verbrennen« beizubringen.
Nick war nicht sicher, was ihn an der Sache störte, aber dann ging ihm auf, dass Alan so bereitwillig Fremde
in ihr Zuhause aufnahm, weil er offenbar sehr einsam war.
Nick hatte keine Ahnung, was er dagegen tun konnte. Er wollte bloß, dass sie weggingen.
»Werden sich eure Eltern nicht wundern, wo ihr seid?«, fragte er am dritten Tag, als er von der Schule heimkam, seine Tasche in die Ecke warf und diesen schrecklichen Schlips über seinen Kopf zog und von sich schleuderte.
Jamie, der sich gerade an Pommes Frites versuchte und an etwas, das so aussah wie überbackener Toast, antwortete zögernd: »Na ja, sie wissen gar nicht, dass wir weg sind.«
Nick schlenderte zum Kühlschrank, nahm die Milchtüte heraus und trank einen großen Schluck. Alan hätte Nick zurechtgewiesen, weil er direkt aus der Packung trank, aber Jamie beobachtete ihn nur wachsam, als ob er fürchtete, sich jeden Moment ducken zu müssen.
»Wie habt ihr denn das geschafft? Wenn ihr Zwillinge habt, dann ladet sie doch mal zu uns ein«, sagte Nick und lehnte sich gegen den Kühlschrank. »Vielleicht kann ich die ja leiden.«
Jamies Gesicht nahm einen verschlossenen Ausdruck an, was Nick als sorgfältig einstudierte Geste erkannte. Gleich würde eine Geschichte folgen, die Jamie schon ein Dutzend Mal erzählt hatte und die er scheinbar unbekümmert und leichten Herzens hinnahm. Nick erzählte keine Lügen, aber er erkannte die Zeichen der Lüge bei anderen Menschen. Die Welt war voll von schlechten Lügnern, Amateuren, die nicht merkten, wie offensichtlich
sie zu durchschauen waren, und die sich daher auch keine Mühe gaben, ihr Theaterspiel zu verbessern.
Nick merkte es immer, außer bei Alan.
»Unsere Eltern sind geschieden«, sagte Jamie mit falscher Lässigkeit. »Sie haben sich vor etwa sieben Jahren getrennt, aber es dauerte eine Weile, bis die Scheidung durch war. Sie sind beide … viel unterwegs, auf Gesellschaften und so. Sie haben viel Geld und alles war sehr kompliziert. Die Scheidung selbst war ziemlich übel. Beide wollten den Löwenanteil des Vermögens und dafür so wenig wie möglich von den Kindern.«
Jamie versuchte zu lächeln. Offensichtlich riss er Witze nicht nur, wenn er Angst hatte, sondern auch, wenn er verstört war. Nick starrte ihn nur an und nach einer Weile redete Jamie weiter.
»Mum hat das Haus bekommen, Dad das Ferienhaus und gemeinsam haben sie das Sorgerecht für uns. Beide halten sich für die Partei, die das schlechtere Los gezogen hat. Es ist kinderleicht, beide anzurufen und zu behaupten, dass man eine Weile bei dem jeweils anderen Elternteil bleibt. Sie können’s nicht überprüfen. Sie reden nämlich nicht miteinander, und außerdem sind sie froh, wenn sie uns los sind. Selbst wenn sie herausfinden würden, dass wir verschwunden sind, würden sie glauben, dass Mae mich zu einer dieser Rave-Partys mitgenommen hat, zu denen sie sich manchmal wegstiehlt.«
Das erklärte einiges. Es erklärte, warum die Dämonen es überhaupt auf Jamie abgesehen hatten. Die Magier wagten es nicht, Dämonen willkürlich von der Leine
zu lassen, weil ihnen die Geheimhaltung genauso wichtig war wie den Jahrmarktleuten. Dämonen mussten Opfer auswählen, die allein und ungeschützt waren, deren Verschwinden nicht sofort auffallen würde, und Eltern
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